Julian Nagelsmann brüllt an der Seitenlinie
  • Die Heimpremiere von Bundestrainer Julian Nagelsmann ging mächtig daneben.
  • Foto: imago/Matthias Koch

Schwerer Rückschlag für Nagelsmann – Türkische Fans geraten in Berlin aneinander

Am Ende blieb wieder nur Frust statt großer Lust. Mit einem überzeugenden Auftritt gegen die Türkei wollte Deutschlands Nationalteam einen Heißhunger auf die EM im kommenden Jahr entfachen. Doch Julian Nagelsmanns Heimpremiere ging gründlich daneben. Beim 2:3 (1:2) in Berlin gegen die Türkei offenbarte das DFB-Team altbekannte Defensivschwächen und ist von der Idee, wieder ein Top-Team zu werden, noch meilenweit entfernt. Für den neuen Bundestrainer war es zugleich im dritten Spiel die erste Niederlage.

Ein Stimmungskiller, wie er im Buche steht. Letztlich jubelten nur die etwa 35.000 türkischen Fans, während die Anhänger des deutschen Teams das Olympiastadion ratlos verließen. Am 14. Juli, in knapp acht Monaten, steigt an selber Stelle das EM-Finale. Wie will Nagelsmann es nur hinbekommen, dass sein Team dann dabei sein kann? Die Zeit rennt ihm davon, das ist spätestens seit diesem kalten Abend in Berlin klar.


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Dabei erlebte die Hauptstadt eigentlich einen extrem hitzigen Tag, an fast allen Fronten. Eine Demo jagte die nächste. Tausende Kurden protestierten gegen das Verbot der Arbeiterpartei PKK, parallel dazu fand eine pro-palästinensische Demonstration statt. Reichlich Zündstoff und mächtig Polizei-Präsenz überall. 3000 Beamte waren im Einsatz, ein Teil von ihnen begleitete am Abend dann noch den türkischen Fanmarsch in Richtung Stadion.

DFB-Kapitän Gündogan erntete böse Pfiffe

Dort angekommen, sorgten die Türken für eine Heimspiel-Atmosphäre. Von den 72.592 Fans in der ausverkauften Hütte hielt etwa die Hälfte zum Gäste-Team und unterstützte es nach Leibeskräften. Böse Pfiffe gab es insbesondere für DFB-Kapitän Ilkay Gündogan. Viele Türken haben es ihm nicht verziehen, dass er trotz türkischer Wurzeln für Deutschland aufläuft.

Gündogan blieb in dieser für ihn so bedeutenden Partie blass, vielleicht war das alles zu viel für ihn. Zunächst aber durfte er noch jubeln. Keine fünf Minuten waren gespielt, da lag Nagelsmanns Auswahl schon in Front. Nach einem Traumpass von Henrichs bediente Sané den diesmal überraschend als Linksverteidiger aufgebotenen Havertz, der zur Führung einschoss – das 1:0, ein Auftakt nach Maß.

Auch Löw sah das Länderspiel live im Stadion

Auf der Tribüne applaudierte auch Joachim Löw. Der Weltmeister-Trainer von 2014, der in Berlin schon vor Jahren einen neuen Lebensmittelpunkt fand, ließ es sich nicht nehmen, die Partie live vor Ort zu verfolgen und wurde permanent um Selfies gebeten.

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Was er trotz all der Fan-Bitten nach der Führung sah, wird ihm nicht gefallen haben. Sané hätte zwar zum 2:0 treffen müssen (16.), danach aber war es erst mal vorbei mit der deutschen Herrlichkeit. „Wir wurden zu lethargisch“, monierte Gündogan. „Ich weiß nicht, ob wir dachten, dass das von alleine schon wird. Wir haben danach nicht die richtigen Lösungen gefunden. Wir waren nicht aggressiv genug. Vielleicht war es auch ein zu guter Start ins Spiel.“

Und so drehten die Türken die Partie und nutzten Fehler des deutschen Teams konsequent aus. Zunächst passte Sané bei Bardakcis langem Ball nicht auf und ließ Kadioglu entwischen, der herrlich oben rechts zum 1:1 traf (38.).

Vor der Pause gingen die Türken in Führung

Wenige Minuten später folgte der nächste rot-weiße Jubelsturm. Nach Ayhans Diagonalball verpasste Henrichs die Kugel, der völlig ungedeckte Yildiz drosch sie oben links an die Unterkante der Latte, von wo sie ins Netz sprang – das 1:2 (45.+2).

Zwei Tiefschläge für das deutsche Team. Doch sie kamen nur kurz nach der Pause zurück, durch ihren Torschützen vom Dienst. In seinem zwölften Länderspiel traf Füllkrug zum bereits zehnten Mal, diesmal zum 2:2 (49.). Damit netzte der Dortmunder in jedem der drei Nagelsmann-Spiele.

Auf der Tribüne gab es kurzzeitig Scherereien

Dem konnten offenbar nicht alle Fans auf den Rängen etwas abgewinnen. Oberhalb der Haupttribüne schlug die Stimmung plötzlich um, es kam zu Scherereien zwischen türkischen Fans, mehrere Dutzend von ihnen flüchteten in den Tribünenumlauf. Nach ein paar Minuten beruhigte sich die Situation.

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Gut für all diejenigen, die nun wieder auf ihre Plätze zurückkehrten, denn sonst hätten sie den türkischen Siegtreffer verpasst. Nach Havertz‘ Handspiel griff der VAR ein, den fälligen Strafstoß verwandelte Sari zum 2:3 (71.).

DFB-Team verpasste den Ausgleich knapp

Gnabry verpasste noch den Ausgleich (86.), das war es dann. Drei Gegentore gegen eine Mannschaft, die nicht zur absoluten Spitze des Kontinents zählt und die erste Pleite für Nagelsmann nach dem Einstand in den USA (3:1) und gegen Mexiko (2:2). Ein bitteres Zeugnis des Abends, der eigentlich Euphorie entfachen sollte.

Klar, dass die Stimmung im Keller war. „Mir haben die Emotionen gefehlt, das Spiel unbedingt gewinnen zu wollen“, monierte Nagelsmann die Einstellung seiner Spieler in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit. Kritik an seiner gewählten Taktik wollte er nicht gelten lassen. „Kai Havertz hat ein herausragendes Spiel gemacht“, lobte er den überraschend als Linksverteidiger aufgebotenen Arsenal-Star, „und das war ja die einzige überraschende Personalie.“

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