Totes Baby, Huren und 80.000 Wacken-Fans: Das macht diesen „Tatort“ so besonders
Axel Milberg kommt im neuen „Tatort“ als Ermittler Borowski noch nicht zur Ruhe. Seinen Verstand und sein Täter-Gespür braucht er diesmal vor der Kulisse des weltgrößten Heavy-Metal-Festivals. So hat der Schauspiel-Star den Dreh erlebt.
Axel Milberg versucht sich als „Tatort“-Kommissar Klaus Borowski im Genuss von Freizeit und Urlaub. Das geht natürlich schief. In seinem Wohnwagen ist die Gasflasche leer. Der Kaffee läuft nicht durch. Die Mücken plagen. Und im Sonnenuntergang sitzend erhält er dann auch noch das Foto eines toten Babys auf sein Handy. Der Schock zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Am nächsten Tag steht er in der Pathologie – bereit, neue Täter dingfest zu machen. Vielleicht ist er auch erleichtert, dass es ohne ihn doch nicht geht.
„Wacken“-Tatort läuft am 26. November in der ARD
Der Krimi „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“ läuft am Sonntag (26.11., 20.15 Uhr) im Ersten. Seit 20 Jahren verkörpert Axel Milberg den wortkargen Ermittler im Kieler „Tatort“. 2025 soll der letzte Film kommen. Mit manchmal unkonventionellen Zugängen und einer typisch nordischen Zurückhaltung, aber auch Verbindlichkeit spielt Milberg seinen Borowski.
Der neue Fall, diesmal inszeniert von Regisseurin Ayşe Polat, verlangt ihm und seiner klugen Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriaçik) alles ab. Das tote Baby stammt von einem von Prostituierten genutzten Parkplatz bei Kiel. Ein verlorenes Eintrittsbändchen verweist auf das anstehende größte Heavy-Metal-Festival der Welt: auf Wacken. Ein Caterer hatte offenbar eine junge Mutter mit Baby dorthin mitgenommen.
Borowski und Sahin treffen in Wacken auf eine Dorfgemeinschaft im Ausnahmezustand, in der jedoch auch unter den Bewohnerinnen und Bewohnern einiges im Argen liegt. Der Caterer Michi Berger (Nikolaus Okonkwo) hat eine Affäre mit der Bestatterin Meike Thomsen (Bärbel Schwarz). Die wiederum kommt mit ihrem Sohn Jan (Marven Gabriel Suarez-Brinkert), der in einer Gothic-Band spielt, nicht mehr zurecht. Dann ist da noch die schwangere Dorfladen-Betreiberin Sarah Stindt (Anja Schneider), in deren Ehe mit Kurt (Andreas Döhler) auch nicht alles zum Besten zu stehen scheint.
Viele Verdächtige, Spannung bis zum Schluss
Die Dorfpolizistin kennt offenbar alle – aber weiß sie wirklich, was ihr Sohn, ein Podcast-Moderator, so treibt? Das Drehbuch hält mit diesem üppigen Personal ein ganzes Panoptikum an potenziellen Verdächtigen bereit. Und sorgt damit für Spannung bis zum Schluss.
Axel Milberg hat den Dreh in Wacken genossen, wie er erzählt. „Es war ein Fest. Klar, ich war skeptisch, es war ja noch Corona-Zeit. Und dann sind wir eingetaucht in 80.000 brüllende Metal-Fans.“ Die seien jedoch alle sehr freundlich und die Stimmung sehr entspannt gewesen.
Der neue „Tatort“ berührt mit einer Dorfgeschichte und zahlreichen Figuren, die auf unterschiedliche Weise, jede für sich, mit Dingen hadern. Die Gemeinschaft funktioniert nicht. Die mutmaßliche Mutter hat einen osteuropäischen Hintergrund, was die Tür zu einer schrecklichen Erzählung öffnet. „Mir fällt auf, dass da alle Beteiligten allein sind mit ihrem Unglück. Diese Einsamkeit, die sie davon abhält, einander die Hände zu reichen“, erzählt Milberg.
Gleichzeitig liefert der Rahmen des Wacken-Festivals einen überraschenden Kontrast. „Das Wacken-Festival ist eigentlich eine riesige Ablenkung von dem Fall. Da vermutet man immer Gewalt, aber da ist Frieden, Freude, Gemeinsamkeit“, sagt Milberg dazu. „In der zentrifugalen Kraft der zerfallenden Paare oder zerrissenen halben Familien hat eigentlich keiner über irgendetwas eine Kontrolle und damit eignet sich die Geschichte auch so gut für eine Krimi-Erzählung.“
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Damit folgt auch dieser „Tatort“ dem ausdrücklichen Wunsch Milbergs und seines Teams, in jedem Fall ein Thema aufzugreifen, das in der Gesellschaft anschließend diskutiert werden kann. Mit diesem ebenso spannenden wie emotional packenden „Tatort“, der an dunkle gesellschaftliche Fragen rührt, dürfte das gelingen.