Bar und Bank überfallen: Als ein Gangster in MOPO-Redaktion verhaftet wurde
Er sah sich als „Gangster-Boss“, überfiel auf St. Pauli eine Bar, raubte eine Wilhelmsburger Bank aus und entkam aus „Santa Fu“. Lesen Sie hier die filmreife Geschichte von Martin K. (Name geändert), der sich bei der MOPO stellte.
Nach „Chicago-Manier“ (O-Ton MOPO von 1965) überfiel der 1941 geborene K. am 19. Oktober 1965 die Bar „Inkognito“ auf St. Pauli. Dabei fuchtelte er zusammen mit einem Komplizen mit Schusswaffen herum und schrie: „Hände hoch. Brieftaschen her, sonst knallen wir euch nieder.“
Martin K. erbeutete 510 Mark (255 Euro) und brachte das Geld mit Prostituierten auf dem Kiez durch. Nur drei Tage später stürmte der Räuber mit einem Revolver bewaffnet die Deutsche Bank an der Veringstraße (Wilhelmsburg). Bei diesem Überfall betrug die Beute immerhin 34.400 Mark (17.200 Euro).
Der Bankräuber versteckte sich zunächst in Weltkriegsbunkern in Wilhelmsburg, flüchtete dann erst nach Hannover und später nach Braunschweig. Bundesweit wurde mit Fotos nach ihm gefahndet. Im Braunschweiger Tanzcafé „Melodia“ erkannte eine junge Frau den Bankräuber und rief die Polizei.
Acht Jahre Zuchthaus für den Gangster
Der Täter wurde verhaftet und 1966 in Hamburg zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gefängnis „Santa Fu“ war damals noch ein „Zuchthaus“ ausschließlich für Schwerverbrecher. Hier musste der Möchtegern-Gangsterboss Verschlüsse von Spraydosen montieren – und plante seinen Ausbruch.
Bei einem Arbeitseinsatz 1970 gelang es dem Räuber, eine vier Meter lange Holzbohle unbemerkt zur Knast-Mauer zu tragen. Als er gerade hochklettern wollte, kam ein scharfer Wachhund angerannt und biss dem Ausbrecher in den Hintern. Martin K. konnte das Tier schließlich mit Tritten abwehren.
Dem Knacki gelang zunächst die Flucht und er versuchte, bei Bekannten in Billstedt Unterschlupf zu bekommen. Als das misslang, fuhr der 29-Jährige nach Hannover und ließ sich erstmal die schmerzhafte Bisswunde in einer Klinik versorgen. Dann ging es zurück nach Hamburg. Martin K. kaufte einen Blumenstrauß für die Kassiererin der Deutschen Bank, die er 1965 überfallen hatte, und schickte die Blumen per Taxi dorthin.
Dann stellte sich der Gesuchte zusammen mit seinem Anwalt in der MOPO-Redaktion, die sich damals noch im Pressehaus am Speersort in der City befand. Dem Polizeireporter Volker Bredenberg gab er ein langes Interview, erklärte: „Ich bin in Fuhlsbüttel schikaniert worden und wollte nur ein paar Tage Urlaub haben …“
Der Autor
Thomas Hirschbiegel (hier am Tatort Veringstraße) ist seit 1977 bei der MOPO. Der 64-Jährige war fast 40 Jahre Polizeireporter, schreibt heute als Chefreporter auch über Stadtentwicklung, Autos oder „Lost Places“. Zur Bankraub-Story von 1965 sagt er: „Dieser Fall stammt aus dem MOPO-Archiv, und wie viele alte Polizei-Geschichten der 1960er Jahre stammt sie von Volker Bredenberg – ein legendärer Reporter, der von 1961 bis 1987 bei der MOPO war und der mir Jungspund in den 70er und 80er Jahren so einiges beigebracht hat. Er starb 2017 im Alter von 83 Jahren.“
Der Ausbrecher musste zurück nach „Santa Fu“, landete später in der Sonderanstalt Bergedorf. Psychiater stellten bei Martin K. eine hochgradige Neurose fest. In Bergedorf sollte er behandelt werden. MOPO-Reporter Bredenberg schrieb am 2. Juni 1970: „Wird er hier die große Chance zu seiner Resozialisierung ergreifen?“
Was aus dem „Gangsterboss“ mit der großen Klappe geworden ist, ist unbekannt. Seine Spur verliert sich.
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