Blick auf die Staumauer der vollen Okertalsperre in Niedersachsen.
  • Blick auf die Staumauer der vollen Okertalsperre in Niedersachsen.
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Hochwasser: Talsperren voll, keine Entwarnung – Braunschweig erwartet Flutwelle

Das Hochwasser lässt die Menschen in Niedersachsen nicht zur Ruhe kommen. Tausende Helfer sind über die Feiertage im Einsatz gewesen, um Deiche mit Sandsäcken zu stützen. Entwarnung ist nicht in Sicht. Überlaufende Stauseen im Harz verschärfen die Situation.

Tagelanger Dauerregen hat in weiten Teile Niedersachsens über die Feiertage für eine angespannte Hochwasserlage gesorgt. Zahlreiche Flüsse traten über die Ufer und verwandelten die Umgebung in Seenlandschaften. In Northeim in Südniedersachsen und Uplengen im Kreis Leer brachen Dämme, in Rinteln (Kreis Schaumburg) und Sandkrug (Landkreis Oldenburg) gab es erste Evakuierungen. Im Harz liefen zwei Talsperren über.

Die Stadt Braunschweig bereitete sich auf eine neue Scheitelwelle der Oker am späten Dienstagabend vor. Mehrere Straßen in der Nähe des Flusses wurden gesperrt, Autofahrer wurden aufgefordert, dort parkende Fahrzeuge umzuparken. Straßen, die zur Oker führten, dürften überschwemmt werden, hieß es vonseiten der Stadtverwaltung. 

Braunschweig erwartet in den späten Abendstunden einen steigenden Pegelstand der Oker. Am Vormittag war die Okertalsperre im Harz vollgelaufen, seither wird dort Wasser in den Fluss abgeleitet.

Feuerwehr und Technisches Hilfswerk waren im Dauereinsatz, um Dämme mit Sandsäcken zu sichern.

Ministerpräsident Weil: „Wir sind noch nicht über den Berg”

Ministerpräsident Stephan Weil besuchte am Dienstag vom Hochwasser betroffene Gebiete, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Bei einem Besuch in Northeim, wo ein Damm gebrochen war, dankte er den Zehntausenden Helfern für ihren Einsatz über die Feiertage. „Es zeigt sich, dass dieses Engagement wirklich dringend notwendig ist”, sagte der SPD-Politiker. Für Entwarnung sei es aber noch zu früh. „Es ist völlig klar, wir sind noch nicht über den Berg.”

Stephan Weil (M, SPD), Ministerpräsident Niedersachsen, Dieter Rohrberg (l), Landesbranddirektor Niedersachsen, und Simon Hartmann, Bürgermeister Northeim, stehen vor einem gebrochenen Damm an der Ruhme bei Northeim. dpa
Stephan Weil (M, SPD), Ministerpräsident Niedersachsen, Dieter Rohrberg (l), Landesbranddirektor Niedersachsen, und Simon Hartmann, Bürgermeister Northeim, stehen vor einem gebrochenen Damm an der Ruhme bei Northeim.
Stephan Weil (M, SPD), Ministerpräsident Niedersachsen, Dieter Rohrberg (l), Landesbranddirektor Niedersachsen, und Simon Hartmann, Bürgermeister Northeim, stehen vor einem gebrochenen Damm an der Ruhme bei Northeim.

Mit Entspannung rechnen die Behörden trotz nachlassendem Regen auch in den nächsten Tagen nicht. „Tatsächlich ist die Lage in ganz Niedersachsen sehr angespannt”, sagte die Direktorin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Anne Rickmeyer.

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Zwar hob der Deutsche Wetterdienst seine Unwetterwarnungen wegen starken Regens am Dienstag auf. „Das heißt aber nicht, dass wir jetzt überall schon fallende Wasserstände haben”, sagte Rickmeyer. „Ich bin jetzt erst mal froh, dass es zwei bis drei Tage nicht regnen soll.” Es werde jedoch noch dauern, bis das Wasser, das nun in den Flüssen sei, in die Nordsee abgeflossen sei. 49 Pegel im Land zeigten am Dienstagnachmittag die Warnstufe, die vor Überflutungen von Gebäuden warnt.

Extrem-Situation in Niedersachsen: Talsperre vollgelaufen

Braunschweig bereitete sich am Dienstag auf eine neue Flutwelle in der Oker vor, die die Stadt am späten Abend erreichen sollte. Am Morgen war im Harz die Okertalsperre vollgelaufen und der automatische Notüberlauf geöffnet worden. In einer großen Fontäne ergoss sich das überschüssige Wasser in den Fluss und sorgte dort für weiter steigende Pegelstände. An der Talsperre beobachteten am Dienstag Hunderte Schaulustige das Geschehen.

„Das ist eine außergewöhnliche Lage”, sagte Andreas Lange, Bereichsleiter für Ressourcen und Prokurist beim Betreiber Harzwasserwerke. Zuletzt habe es eine solche Situation 1994 gegeben. 20 Kubikmeter Wasser pro Sekunden fließen nun aus der Talsperre in den Fluss. Auch die Innerstetalsperre sei inzwischen voll. An den anderen vier Talsperren im Harz sehe es aber noch besser aus. Ein Teil des überschüssigen Wassers aus der Okertalsperre könne derzeit noch in die Granetalsperre abgeleitet werden, die noch nicht voll sei.

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Auch an der Mittelweser rechnet NLWKN-Chefin Rickmeyer mit steigenden Pegelständen. Zwar sei in Hannoversch Münden, wo sich Fulda und Werra zur Weser vereinen, offenbar der Höchststand erreicht. Aber im weiteren Flussverlauf werde es noch dauern, bis dieser Scheitel ankomme. „Da erwarten wir in den nächsten Tagen auch noch Höchstwasserstände.” Auch die Stadt Oldenburg rechnet an der Hunte erst in den nächsten Tagen mit dem Höchststand.

Hochwasser: 100.000 Feuerwehrleute in Niedersachsen im Dauereinsatz

Laut Landesbranddirektor Dieter Rohrberg seien allein 100.000 Feuerwehrleute in Niedersachsen im Dauereinsatz. Hinzu kämen Kräfte des Technischen Hilfswerks und anderer Hilfsorganisationen. Auch Drohnen waren im Einsatz, um die Lage aus der Luft im Blick zu behalten.

Bereits am Montag waren in Northeim im Süden und Uplengen bei Leer Dämme gebrochen. In Northeim sei das Wasser zum Glück nur in eine angrenzende Kiesgrube geflossen, sagte Landesbranddirektor Rohrberg. In Rinteln (Kreis Schamburg) wurden am Dienstag die Bewohner einer Straße in der Nähe der Stadtmauer evakuiert, weil die Keller vollzulaufen drohten. In Sandkrug im Landkreis Oldenburg waren am Montagabend zwei Straßen evakuiert worden.

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Weil besuchte neben der Okertalsperre und Northeim am Dienstag auch das Lagezentrum des Landkreises Hildesheim und die Freiwillige Feuerwehr in Sarstedt (Landkreis Hildesheim), wo die Innerste in die Leine mündet. Zahlreiche Schaulustige würden den Weg in den Ort finden, berichtete der Ortsbürgermeister des Sarstedter Ortsteils Ruthe, Christoph Haferland: „Ich bin sprachlos über diesen Katastrophentourismus.” (dpa/ncd)

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