• Ein Containerschiff von MSC liegt auf der Elbe in Höhe von Finkenwerder (Archivbild).
  • Foto: picture alliance/dpa

Krimi auf der Nordsee: War es „nur“ eine Bombendrohung?

Heiliger Abend im Hamburger Hafen, der niemals ruht und keine stillen Nächte kennt. Die Crew „MSC Bhavya V“ wirft die Leinen los. Gegen den Containerfrachter, 294 Meter lang, vermessen mit 66.799 BRT, der von Hamburg aus nach Antwerpen fuhr, gibt es eine Bombendrohung. Doch steckt noch viel mehr dahinter?

Als das Schiff die offene See erreicht, geht eine Drohung bei der Hafenbehörde in Antwerpen ein. Irgendwo an Bord der „MSC Bhavya V“, versteckt in einem Container, befinde sich eine Bombe, sagt ein Anrufer. Sobald der Frachter an der Kai liege, werde der Sprengsatz ferngezündet.

Die Behörden beordern das Schiff auf Liegeposition vor der niederländischen Küste. AIS-Daten zeigen, dass der Kapitän die Fahrt verlangsamt und auf Höhe der Insel Texel ankert. Ein niederländischer Hochseeschlepper kommt hinzu. Welch eine unangenehme Lage für die Besatzung – doch steckt noch mehr dahinter?


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Nach Berichten belgischer Medien geht die Polizei in Antwerpen inzwischen davon aus, dass es sich um einen falschen Alarm handelt. Doch was läuft hier wirklich? Vor ziemlich genau einem Jahr, am 22. Dezember, ereignete sich ein Vorfall mit unheimlichen Gemeinsamkeiten.

Nämlich einen Bombenalarm gegen einen Frachter der Reederei MSC. Gegen ein Schiff auf der Reise nach Antwerpen. Die Behörden ließen die „MSC Lorena“ mehrere Tage vor der Küste auf Reede liegen, bevor sie das Schiff im Hafen genau inspizierten. Dabei fanden sie keine Bombe. Dafür aber 2,4 Tonnen Kokain, versteckt in einem Container mit Kakao. Zwei Männer wurden verhaftet.

Bombendrohung ein Hinweis rivalisierender Drogenbanden?

Vermutung: Die falsche Bombendrohung zielte darauf ab, das Schiff in einem Streit zwischen rivalisierenden Drogenbanden aufzuhalten. Die Nachricht platzte außerdem in einen Monat, in dem die Reederei MSC beschuldigt wurde, eine Schlüsselrolle für den Drogenhandel der Balkan-Banden zu spielen.

Richtig gelesen: MSC, der Konzern, der in den Hamburger Hafenkonzern HHLA einsteigt. Nach Recherchen des Nachrichtendienstes Bloomberg soll das Balkan-Kartell – eine der berüchtigtsten Drogenhändlerbanden Europas – in den letzten zehn Jahren immer wieder MSC-Schiffe als Rauschgifttransporter genutzt haben, indem es MSC-Mitarbeiter zwangsrekrutierte.

In den USA sah sich der Konzern mit einer Strafforderung in Höhe von 700 Millionen US-Dollar konfrontiert. Die amerikanischen Behörden hatten auf dem Großcontainerfrachter „MSC Gayane“ fast 20 Tonnen (!) Kokain im Verkaufswert von 1,3 Milliarden US-Dollar entdeckt – der größte Fund in der Geschichte des amerikanischen Zolls. MSC weist Anschuldigungen, von einem Drogenkartell infiltriert zu sein, scharf zurück.

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Die Frage ist nun: Sind irgendwo an Bord der „MSC Bhavya V“ ebenfalls Drogen versteckt? Und hängt der Vorfall mit einer anderen aktuellen Polizeimeldung aus Antwerpen zusammen? Darin heißt es, dass mehrere Männer verhaftet wurden, die sich seit knapp einer Woche in einem Container im Waaslandhaven-Gebiet des Hafens versteckt hielten.

Die Polizei vermutet, dass es sich wahrscheinlich um so genannte „Extraktoren“ handelt. Diese warten in einem Versteck auf die Ankunft von bestimmten Containern, um sie aus dem Hafen heraus zu schmuggeln. Während dieser Beitrag entsteht, läuft die „MSC Bhavya V“ in den Hafen von Antwerpen ein.

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