Habeck an Bord: Wütende Bauern wollen Nordsee-Fähre stürmen – Empörung
Bauern protestieren gegen die Pläne der Bundesregierung zum Abbau von Subventionen. Zwar kam die Ampel ihnen doch etwas entgegen. Doch Bundeswirtschaftsminister Habeck bekommt im Urlaub den Unmut dann ganz persönlich zu spüren. Es kommt zum Polizei-Einsatz – die Nordsee-Fähre, auf der sich der Grünen-Politiker befand, muss schließlich wieder ablegen. Bundesregierung und Politiker von Grünen, FDP und CDU sind entsetzt – und auch der Bauernverband findet deutliche Worte.
Wütende Bauern haben Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Sie hätten laut Polizei am Donnerstag in den sozialen Medien Aufrufe zur Demonstration verbreitet, dann gegen 15.45 Uhr einen Protestzug mit etwa 80 Traktoren zum Hafen von Schlüttsiel (Kreis Nordfriesland) organisiert.
Dort hätten sie gegen 17 Uhr den Fähranleger blockiert, sagte ein Polizeisprecher. Habeck habe deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen: „Die Lage vor Ort war angespannt, sodass ein Dialog zwischen Herrn Habeck und den Versammlungsleitern nicht ermöglicht werden konnte, weshalb die Fähre wieder ablegte“, sagte der Sprecher.
Erst in der Nacht erreichte der Wirtschaftsminister das Festland mit einer weiteren Fähre, wie die Flensburger Polizei und ein Ministeriumssprecher am Freitagmorgen bestätigen. Der Minister war laut Ministerium privat unterwegs.
Wütende Bauern demonstrieren gegen Habeck – Polizei setzt Pfefferspray ein
Es handelte sich um 250 bis 300 Demonstranten. 25 bis 30 von ihnen versuchten noch, die Fähre zu stürmen – vergeblich. Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen und hätten dabei auch Pfefferspray eingesetzt, hieß es weiter. Von Verletzten war jedoch nichts bekannt. Die Bauern sind empört wegen des von der Ampel-Koalition geplanten Abbaus von Subventionen.
Laut Polizei beruhigte sich die Lage gegen 19 Uhr, nachdem die Fähre wieder abgelegt hatte. Anzeigen lagen am Abend nicht vor. „Landfriedensbruch steht schon im Raum“, sagte ein Polizeisprecher auf die Frage, ob trotzdem ermittelt werde.
Sprecherin Habecks: „Sicherheitslage ließ ein Gespräch nicht zu“
Eine Sprecherin Habecks sagte, der Minister sei gerne bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen. „Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen.“
Laut „shz“, die zuerst über den Vorfall berichteten, habe sich unter Landwirten aus der Umgebung am Donnerstag das Gerücht verbreitet, der Minister habe spontan einen Bürgerdialog in dem kleinen schleswig-holsteinischen Ort angesetzt. Ein Sprecher wollte gegenüber „shz“ nicht ausschließen, dass der Minister selbstständig das Gespräch mit den erbosten Landwirten gesucht habe. Von einer durch das Ministerium organisierten Veranstaltung wisse man aber nichts.
Bauernverband distanziert sich deutlich
Der Deutsche Bauernverband distanzierte sich deutlich von dem Vorgang. „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied am Freitag laut Mitteilung. „Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt.“ Bei allem Unmut über die Steuerpläne des Bundes respektiere sein Verband selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern.
Bundesregierung bezeichnet Blockade als „beschämend“
Die Bundesregierung bezeichnete die Blockade der Ankunft von Habeck auf dem Anleger als beschämend. „Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein“, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit am frühen Freitagmorgen auf der Plattform X, vormals Twitter. Die Blockade von Habecks Ankunft im Fährhafen Schüttsiel „ist beschämend und verstößt gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders“, hieß es.
Die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, zeigte sich entsetzt: „Es ist erschreckend, was dort passiert ist und empört mich zutiefst. Es ist eine völlige Grenzüberschreitung und ein Angriff auf die Privatsphäre von Robert Habeck“, teilte sie mit. Dies habe nichts mit friedlichem Protest in einer lebendigen Demokratie zu tun. „Ein solches Handeln ist durch nichts zu rechtfertigen. Vom Bauernverband erwarte ich, dass er diese Angriffe in aller Schärfe verurteilt und sich von solchen Aktionen distanziert.“
Katharina Fegebank: „Dass Robert Habeck auf diese Weise angegangen wurde, überschreitet rote Linie“
Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) fan deutliche Worte: „In der Politik können wir mit harter Kritik umgehen. Dass Robert Habeck allerdings auf diese Weise angegangen wurde, überschreitet eine rote Linie“, sagte sie am Freitag. „Das ist eine Protestkultur zum Abgewöhnen, die ich aufs Schärfste verurteile. Bei allen Herausforderungen, vor denen wir gerade gemeinsam stehen, sollten wir nicht das große ganze aus dem Blick verlieren. Wer meint, er kann seine Interessen auf diese Weise durchsetzen, hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden.“
Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf der Plattform X (ehemals Twitter): „Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren.“
Annalena Baerbock: „Demokratische Grenze überschritten“
Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: „Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten.“
Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“: „Das sind Leute, denen geht es nicht um die deutsche Landwirtschaft, die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wird es nicht geben.“ Er bezeichnete den Vorgang als inakzeptabel.
Der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erklärte auf X, es werde hier eine Grenze überschritten. „Wer die Ampel inhaltlich laut kritisiert, darf jetzt nicht schweigen. Das geht so nicht!“
Koalition will auf Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaft verzichten
Am Donnerstag reagierte die Bundesregierung auf die massiven Bauernproteste wegen des geplanten Abbaus von Subventionen: Die Koalition will auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden. Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen aber für unzureichend – und hält an einer ab Montag geplanten Aktionswoche fest. (josi/idv/dpa)