„Gesetzte und Regeln ohne Verstand – erst stirbt der Bauer, dann das Land“, steht auf einem Schild.
  • „Gesetzte und Regeln ohne Verstand – erst stirbt der Bauer, dann das Land“, steht beim Bauern-Protest in Hamburg auf einem Schild.
  • Foto: Florian Quandt

Der Wut-Bauer in uns allen – und was wir Stadtmenschen besser machen können

Die Bauern sind stinksauer. Und wenn man ihnen zuhört, wird schnell klar: Die in Teilen bereits zurückgenommenen Subventionskürzungen sind nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und auch wenn es völlig unverhältnismäßig ist, Autobahnen und Innenstädte lahmzulegen, nur weil man große Trecker hat: Man kann sie ja verstehen, die wütenden Landwirte.

Seit Jahren kommt die Politik mit immer neuen Vorgaben, Gesetzen, Richtlinien. Dünger, Gülle, Nitrat, Glyphosat, Stallgrößen, Blühstreifen, Stilllegepflichten, dies das. Und auch wenn jede Vorgabe für sich sinnvoll sein mag, wer würde angesichts des bürokratischen Wusts nicht irgendwann genervt brüllen: „LASST UNS EINFACH MAL IN RUHE UNSERE ARBEIT MACHEN!“

Ein „Es reicht“-Gefühl macht sich breit im Land

So geht es ja offenbar vielen im Land, die sich von immer neuen Normen und Geboten drangsaliert, von Steuern und Abgaben ausgenommen, aber nicht mehr gehört fühlen. Und so entdecken gerade viele den kleinen Wut-Bauern in sich. Ein großes „Es reicht“-Gefühl macht sich breit im Land, quer durch alle Schichten und politische Strömungen.

Doch auf die Ampel zu schimpfen, so berechtigt das in Teilen sein mag, ist noch keine Lösung – gerade die Bauern sollten wissen, dass vor dieser Bundesregierung 16 Jahre lang CDU/CSU das Landwirtschaftsministerium führten, während das oben erwähnte Fass stetig voller wurde.

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Vor allem aber: Die Probleme, vor denen wir stehen, werden eher größer als kleiner, der Veränderungsdruck nimmt zu, nicht ab. Trotzig sein mag sich da für einen Moment gut anfühlen, aber Wut ist noch kein Argument. Und die Grünen als radikale „Grüne Khmer“ oder „Ökotaliban“ zum absoluten Feindbild zu stilisieren, führt uns im Diskurs um eine nachhaltige Politik nur näher an den Abgrund.

Gleichzeitig macht es sich jeder zu leicht, der die Bauern-Proteste als von Rechtsextremen und Verschwörern unterwandertes, neues Pegida-Format delegitimieren will. Klar versuchen bestimmte Kreise, den Protest zu kapern, und natürlich gibt es auch unter Bauern schwarze Schafe, Bilder von antidemokratischen Spruchbändern an Treckern gibt es genug. Aber zumindest in Hamburg war der Protest nicht extremistisch. Und welcher Bauer lässt sich ernsthaft von Verschwörern und Coronaleugnern wie Kalle Schwensen vereinnahmen, wenn diese von einer neuen Volksfront träumen?

Was wir Stadtbewohner uns fragen sollten

Was wir Stadtbewohner uns dagegen fragen sollten ist: Was wissen wir überhaupt vom Leben auf dem Land, den Sorgen und Nöten der Menschen? Verachten wir sie in Wahrheit nicht manchmal sogar für ihre angebliche Provinzialität? Wieviel ist uns selbst eine gesunde Landwirtschaft, lebendige Dörfer, der Erhalt gewachsener Strukturen wert? Alle reden bei Lebensmitteln von Qualität, gekauft wird aber nach Preis, am liebsten im Discounter. Und alles soll natürlich das ganze Jahr über verfügbar sein.

Doch wer so handelt, ist direkt mitverantwortlich für das Höfesterben, die Übermacht der Agrarkonzerne, die Überdüngung der Ostsee, die Gülle- und Nitratschwemme, den Artenschwund und die Qualzucht.

Wer nicht nur meckern, sondern Teil einer Lösung sein will, kann einfach mal auf den Markt in seinem Stadtteil gehen und dort bei einem Bauern aus der Region einkaufen. Lebensmittel direkt vom Erzeuger, ja das gibt es, ganz ohne Plastik drumherum. Und wenn man saisonale Ware kauft, ist das auch nicht teurer als im Supermarkt, und selbst im Winter möglich. Und ’nen netten Schnack gibt’s gratis dazu.

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