Tempo 30
  • Der Klimabeirat fordert Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für Hamburg.
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Kommt jetzt Tempo 30 in ganz Hamburg? Das sagt Verkehrsforscher

Fahren wir bald nur noch Tempo 30 auf Hamburgs Straßen? Das hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) gerade gefordert. Und auch in anderen deutschen Städten reißt die Diskussion über ein langsameres Tempolimit nicht ab. Befürworter erhoffen sich sicheren, leiseren und saubereren Verkehr – doch viele Autofahrer sind skeptisch. Die MOPO hat mit dem Verkehrswissenschaftler Wolfgang Maennig von der Uni Hamburg über Vor- und Nachteile gesprochen.

MOPO: Herr Maennig, sind Sie für Tempo 30 in ganz Hamburg?

Wolfgang Maennig: Nein, so pauschal nicht. Beispielsweise halte ich es auf Schnellstraßen nicht für sinnvoll. Und soll auf verkehrsberuhigten Straßen, auf denen man aktuell nur Schritttempo fahren darf, das Limit erhöht werden?

Tempo 30 in Städten: Eine Abwägungssache

Was muss man bedenken?

Man muss schauen, was für die Gesellschaft das Beste ist, aber da gibt es keine abschließende Beurteilung. Ein Vorteil bei Tempo 30 ist zum Beispiel, dass weniger Schadstoffe und Lärm verursacht werden. Dafür verlieren Autofahrer aber Zeit. Solche Effekte werden unterschiedlich gewichtet, so kommt jeder zu einem anderen Ergebnis.

Es wird auch argumentiert, dass Straßen sicherer werden.

Ja, die Unfallzahlen würden zurückgehen. Aber bei Tempo 20 gibt es noch weniger Unfälle. Wenn wir keine Verkehrstoten wollen, ist das richtige Tempo 0. Offensichtlich ist die Zahl der Verkehrstoten nicht die einzige Einflussgröße des gesellschaftlichen Zielkonfliktes zwischen Mobilität und Menschenleben.

(c) dpa
Wolfgang Maennig
Wolfgang Maennig ist Volkswirt und Verkehrsforscher an der Uni Hamburg.

Apropos Gesundheit: Für möglichst wenig Ausstoß von Schadstoffen scheint ein flüssiger Verkehr wichtiger als ein langsames Tempo.

Ja, man sollte möglichst wenig abbremsen oder beschleunigen. Hierzu könnten intelligentere Ampelschaltungen, teilweise aber auch der Ersatz der Ampeln durch Kreisverkehre beitragen. Aber die Verflüssigung des Autoverkehres ist nicht immer gewollt: Einige politische Parteien sehen wenig Sinn darin, den Individualverkehr zu erleichtern. Sie wollen die Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV oder auf Mischkonzepte wie Moia bewegen.

Werden Autofahrer bei Tempo 30 denn wechseln?

Einige werden das tun – wenn sie länger unterwegs sind. Dazu muss es dann aber auch mehr und bessere Wechsel-Angebote geben.

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Wären sie denn zwangsläufig länger unterwegs? Autos stehen ja auch bei 50 Km/h in Staus oder an der Ampel.

Einige Studien zu Tempolimits auf Autobahnen kommen durchaus zu dem Ergebnis, dass Einzelne zwar beschränkt werden und länger brauchen, sich der Verkehr aber insgesamt verflüssigt und durchschnittlich schneller wird. Für den innerstädtischen Verkehr sind mir solche Berechnungen nicht bekannt.

Der ADAC meint auch, dass mehr Autos durch Wohngebiete fahren würden.

Ja, und Navigationssysteme würden das auch fördern, weil der Vorteil einer höheren Geschwindigkeit auf den Hauptstraßen verloren ginge. Es würden öfters die kürzesten Routen gewählt.

Angenommen man stellt um – würden Autofahrer mitmachen? In einer Umfrage vom ADAC ist nur ein Fünftel der Mitglieder dafür.

Wenn es entsprechende Rechtsverordnungen geben würden, bleibt den Autofahrern kaum eine andere Chance, obwohl ihnen teilweise Zeit und Fahrspaß verloren gehen würde. Aber ich würde nicht ausschließen, dass es plötzlich eine erfolgreiche Autofahrer-Partei geben würde – so wie dies einmal in Dänemark passierte.

Verkehrsforscher: flächendeckendes Tempo 30 unwahrscheinlich

Wäre die Umstellung eigentlich teuer?

Nicht für den Staat, man bräuchte nur ein paar neue Schilder. Die Ampel-Schaltung kann über Computer angepasst werden. Volkswirtschaftlich wäre das zu vernachlässigen.

Glauben Sie, dass so ein flächendeckendes Tempolimit kommt?

Ich halte das für unwahrscheinlich und schon gar nicht mit einem großen Knall. Entweder man kündigt es viele Jahre im Voraus an, damit sich Autofahrer darauf einstellen können, oder man reduziert die 50er-Zonen langsam Schritt für Schritt ohne viel Aufhebens.   

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So wie mit den nächtlichen Tempo-30-Abschnitten, die ab 2022 kommen sollen?

Wenn man das will, ist ein schrittweises Vorgehen richtig: Erst mal in kleineren Bereichen anfangen und dort untersuchen, wie es sich wirklich auf Routen, Fahrzeit und Emissionen auswirkt. Dann kann man weitersehen.

Ist langsamerer Verkehr denn das Mobilitätskonzept der Zukunft?

Nein, die Zukunft gehört selbstfahrende Autos, auf deren Tempo der „Fahrer“ keinen Einfluss mehr hat. Dann wird das Tempolimit egal sein, man wird vielleicht auch keine Ampeln mehr brauchen. Die Autos werden einfach flüssig aneinander vorbeifahren. In Kalifornien wird das in 15 bis 20 Jahren so weit sein, in Deutschland wohl erst in 70 Jahren.

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