• Der Abschied fällt ihm schwer: Heinz-Diego Leers (77) gibt sein "Pulverfass" an der Reeperbahn auf.

Auf der Reeperbahn: Nach mehr als 47 Jahren: Kiez-Legende macht Schluss

St. Pauli –

Mehr als 47 Jahre lang waren die falschen Frauen auf der Reeperbahn sein Leben. Doch jetzt ist für Kiez-Legende Heinz-Diego Leers endgültig Schluss. Der 77-Jährige gibt sein berühmtes „Pulverfass“, eines der bekanntesten Travestie-Cabarets in Deutschland, auf.

Schon 2019 machte er sich auf die Suche nach einem Nachfolger für sein Theater. Er sah sich gesundheitlich nicht mehr in der Lage, sich um den Laden zu kümmern. Eine Lungenembolie brachte ihn 2014 ins Krankenhaus, zwei Monate lang lag er im Koma. Davon sollte er sich nie mehr richtig erholen.

Das Pulverfass auf der Reeperbahn - Außenansicht

Das Pulverfass auf der Hamburger Reeperbahn.

Foto:

Marius Roeer/ Marius Roeer

Dass er nun nicht mehr jeden Abend erleben kann, wie die langbeinigen Diven in Glitzerfummeln über die Bühne stöckeln, singen, tanzen und zum krönenden Abschluss ihre Männlichkeit preisgeben, schmerzt ihn sehr. Schließlich war das „Pulverfass“ sein Leben.

Das erste „Pulverfass“ in Hamburg war in St. Georg

Die Geschichte des Traditions-Theaters begann 1973 in St. Georg in der Straße Pulverteich. Sein Vater betrieb dort ein Lokal, das Heinz-Diego Leers übernahm. Eigentlich wollte er eine Diskothek aus dem Laden machen. Zur Neu-Eröffnung lud er damals Travestie-Künstler ein. Die kamen so gut an, dass daraus eine neue Geschäftsidee entstand.

Pulverfass 1975

1975 feierte die Schauspielerin Helga Feddersen in dem Travestie-Theater.

Foto:

MOPO-Archiv

Doch die falschen Frauen erwiesen sich zunächst als Ladenhüter. „Damals saßen wir oft allein im Laden. Die Leute trauten sich nicht herein“, erinnerte sich Leers einst in einem Gespräch mit der MOPO. Zu sehr wurde Travestie von der Gesellschaft als anrüchig betrachtet, die Berührungsängste waren zu groß. Oft schlichen die Gäste so lange um den Häuserblock, bis niemand guckte, um dann schnell hineinzuhuschen.

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Den Durchbruch brachte ein MOPO-Bericht. „Wir waren auf der Titelseite. Auf einmal trauten sich die Leute zu uns. Sie sahen, dass Travestie anständig ist.“

Sohn musste Pacht an seinen Vater zahlen

Je besser das „Pulverfass“ lief, desto mehr Pacht musste Heinz-Diego an seinen Vater abdrücken. „Er ging morgens durch den Laden und zählte die leeren Flaschen, um zu gucken, was ich an Umsatz mache. Danach verlangte er mehr Geld.“ Knallharte Methoden. Damals war Heinz-Diego stinksauer. Heute kann er darüber lachen.

Pulverfass in St. Georg

Das „Pulverfass“ war bis 2001 im Stadtteil St. Georg. 

Foto:

MOPO-Archiv

2001, nachdem sein Vater gestorben war, zog das „Pulverfass“ von St. Georg ins ehemalige „Oase“-Kino in der Reeperbahn.

Pro Abend standen hier um die zehn Künstler auf der Bühne, es gab Revuen, Gesang, Comedy, Striptease und gutes Essen. Auch Prominente wie Mary Roos, Vicky Leandros, James Last, Caterina Valente, Andrea Berg, Udo Lindenberg oder Verona Pooth zog es schon hierher. Travestiekünstler wie Olivia Jones und Mary & Gordy wagten hier die ersten Schritte auf die Showbühne.

Pulverfass – Blick in die Garderobe

Die Künstler in der Garderobe. Hinter den Kulissen soll es auch häufig Probleme in Form von verbalen Keilereien unter den Diven gegeben haben.

Foto:

Morgenpost Bildarchiv ©

Am 1. Juli soll das „Pulverfass“ unter der Führung zweier ehemaliger Stammgäste wieder eröffnen. Im neuen Look und mit neuer Show. Das schwule Pärchen will dann zum Beispiel auch Drag Queens ins Programm mit aufnehmen.

Komplett aussteigen wird Heinz-Diego Leers allerdings nicht. Er bleibt weiter als Berater für „die Jungs“ tätig. Mit Vertrag. Sein Plan: ein bis zwei Mal die Woche ins Cabaret fahren und den neuen Besitzern zur Seite stehen.

Lesen Sie die ganze Geschichte am Samstag in der Wochenend-Ausgabe der MOPO.

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