Tricks, Zeitklau, Strafen: Das sagt die Hamburger Sozialbehörde über die Impfdrängler
Kampf um die Spritze: Ärzte und Impfzentren haben Schwierigkeiten mit Impfdränglern. Mithilfe der Priorisierung sollen besonders schutzbedürftige Gruppen eigentlich zuerst drankommen. Den Dränglern ist das offensichtlich egal – und sie werden immer aggressiver.
Viele Impfzentren klagen nach Medienberichten über aggressive Impfwillige und zunehmende Versuche, sich eine vorzeitige Impfung zu erschleichen. Das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ berichtete von mehreren tausend Fällen. Allein das Hamburger Impfzentrum meldete demnach zuletzt 2000 Vordrängler in einer Woche.
So gehen die Impfdrängler vor
Um vorzeitig an einen Impftermin zu kommen, würden etwa falsche Alters- oder Berufsangaben gemacht, berichtete „Report“. Die Recherchen zeigten, dass die Impfbetrüger sich oft als höher priorisierte Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen oder Schwangeren ausgeben. Zum Vergleich: In München würden bis zu 350 Vordrängler in der Woche erwischt, in Saarbrücken bis zu 140.
Hamburg: Aggressive Diskussionen vor Impfzentrum
„Wir erleben aber auch, dass am Schalter beim Check-In dann zum Teil sehr aggressiv diskutiert wird“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde auf MOPO-Nachfrage. Die Mitarbeiter am Schalter müssen sich an die Impfverordnung halten.
„Vor dem Gesetz sind alle gleich. Und den Ärger deswegen bei den Mitarbeitern am Check-In auszulassen, ist nicht nur nutzlos, sondern auch unfair – die Kollegen dort können nämlich gar nichts dafür“, so Helfrich weiter. Es „einfach mal zu versuchen“, in der Hoffnung, es könnte ja klappen, sei Zeitverschwendung und funktioniere ohnehin nicht.
Impfdrängler klauen wertvolle Zeit
„Wer einen Termin macht, obwohl man noch nicht dran ist, nimmt anderen einen Zeit-Slot weg“, sagt Helfrich. Wenn ein Termin wegen eines Vordränglers nicht stattfinden kann, erhalte die nächste berechtigte Person den Impfstoff. „Aber wir können die Zeit nicht wieder aufholen!“, so der Sprecher. Die unberechtigt gebuchten Termine würden Sand ins Getriebe streuen, das Impfen gehe langsamer voran.
Welche Strafen drohen Impfdränglern?
Andernorts wird schon der Ruf nach Strafen laut. „Zwar werden Tausende erwischt, aber es fehlt an Sanktionen“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Sich beim Impfen vorzudrängeln, ist keine Ordnungswidrigkeit.“
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Die Terminvereinbarung an sich steht nicht unter Strafe. Wer aber gefälschte Unterlagen vorlegt, macht sich unter Umständen der Urkundenfälschung schuldig. „Das steht unter Strafe“, so Helfrich. Auch andere Fälschungen oder Falschangaben würden gegebenenfalls zur Anzeige gebracht, sofern sie offenkundig werden.
Impfen: Priorisierung soll aufgehoben werden
Aber nicht jeder drängelt mit Vorsatz. „Wir erleben beides: Menschen, die schlicht nicht auf dem aktuellen Informationsstand und ohne böse Absicht sind – und Menschen, die ganz bewusst und absichtlich versuchen, schon früher als vorgesehen einen Impftermin zu erhalten“, so der Sprecher.
Das Problem werde perspektivisch abnehmen, wenn die Priorisierung wegfällt. Da die Berechtigung nicht mehr geprüft werden müsse, könne geimpft werden „wer einen Termin hat“.
Experten befürchten mehr Konkurrenzdruck
Experten befürchten einen gegenteiligen Trend und erhöhten Konkurrenzdruck. Der Chef der Ständigen Impfkommission (StiKo), Thomas Mertens, sagt, es hätten noch nicht einmal alle Menschen in Deutschland mit Priorisierung ein Impfangebot erhalten. Er rät daher in „Report“, an der Priorisierung festzuhalten.
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Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz befürchtet: „Jetzt werden Vakzine freigegeben. Damit entsteht in den Impfzentren und bei den Hausärzten massiver Druck. Am Patientenschutz-Telefon erfahren wir von psychischen und physischen Drohgebärden.“