Daniel Thioune im MOPO-Interview: „Es war ein Privileg, HSV-Trainer zu sein“
Am Montag verabschiedete sich Daniel Thioune (46) auf recht emotionale Weise von seiner Mannschaft, in Kürze wird er das Kapitel Hamburg nun komplett beenden. Gemeinsam mit seiner Familie zieht der Trainer nach seiner Entlassung zurück in seine Heimat Osnabrück. Mit einer Träne im Knopfloch, wie er im MOPO-Interview verrät.
MOPO: Herr Thioune, wie haben Sie die Entscheidung des HSV, Sie freizustellen, aufgenommen? Haben Sie damit gerechnet?
Daniel Thioune: In dem Moment, als ich zum anberaumten Termin mit Jonas Boldt und Michael Mutzel gefahren bin, war mir klar, dass das der Grund des Gespräches sein könnte.
Kam das für Sie überraschend? Immerhin gab es wenige Tage zuvor ja noch ein klares Treuebekenntnis.
Ja, aufgrund der vorherigen Gespräche war es am Sonntag dann schon überraschend für mich.
HSV-Bosse sahen den gemeinsamen Weg mit Thioune nicht mehr
Boldt sagte, ein unbelasteter Start in die neue Serie sei nicht mehr möglich gewesen. Sie hätten als Trainer Ihren Weg zuletzt verlassen. Haben Sie das auch so empfunden?
Ich bin überzeugt davon, dass der Weg, den wir gegangen sind, gut war. Alle Entscheidungen, die wir getroffen haben, haben wir in der Überzeugung gefällt, dass wir damit die bestmögliche Chance auf sportlichen Erfolg haben. Klar trifft man im Laufe einer Saison auch Entscheidungen, die mal der Situation geschuldet sind und nicht zu 100 Prozent auf dem Weg liegen. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass wir unseren Weg grundsätzlich verlassen haben. Dass manche Entscheidungen in der Nachbetrachtung nicht immer richtig waren, lässt sich im Nachgang aber natürlich immer leicht sagen.
Weiter wurde auch von einem immer größeren Bruch zwischen Ihnen und der Mannschaft gesprochen. Können Sie das bestätigen?
Nein, das habe ich nicht so empfunden. Ich habe mit der Mannschaft immer offen kommuniziert, immer Lösungen an die Hand gegeben und versucht, sie mit einzubinden, wenn wir es für sinnvoll erachtet haben. Ich habe einige Nachrichten aus der Mannschaft nach der Freistellung bekommen, in denen Spieler meinen Abgang bedauern und sich für die Zusammenarbeit bedanken. Das klingt für mich nicht nach einem Bruch.
Nach dem 1:1 gegen den KSC war Thioune total geknickt
Gab es von Ihrer Seite aus ein Signal an Ihre Bosse, aufgeben zu wollen? Nach dem 1:1 gegen Karlsruhe wirkten Sie zutiefst enttäuscht.
Nein, das ist absoluter Blödsinn. So ein Signal gab es nicht und ich bin niemand, der kapituliert, das habe ich auch oft genug betont. Wenn der Eindruck entstanden ist, dann ist er nicht richtig. Natürlich sind negative Erlebnisse, wie das Unentschieden gegen Karlsruhe mit einem kurzen Moment der Enttäuschung verbunden. Aber dann ist es unsere Aufgabe, die Gründe zu analysieren und in der kommenden Trainingswoche weiter an unser Spielidee zu arbeiten und es dann besser zu machen.
Haften blieb zunächst das Bild des desillusionierten Trainers. Haben Sie in den Tagen danach neuen Mut schöpfen und auch wieder an den Aufstieg denken können?
Ja sicherlich. Mit dem Abstand vom Spiel und dem Tag danach hat schnell die „Jetzt-erst-recht“-Haltung eingesetzt. So bin ich konditioniert.
Die Suche nach dem Knackpunkt dieser HSV-Saison
Rückblickend wird nach einem möglichen Knackpunkt in dieser Saison gesucht. Oft wird in diesem Zusammenhang über das 3:3 (nach 3:0-Führung) in Hannover gesprochen.
Das ist mir zu einfach, es auf diesen Moment zu reduzieren. Wir hatten auch das 3:3 gegen Aue sowie das 2:3 in Heidenheim. Es ist normal, dass es zwischendurch Nackenschläge gibt und man nicht stringent durch die Saison geht. Das ist normal im Fußball. Etwas anderes gilt vielleicht nur für den FC Bayern München. Und: Wir sind trotz dieser Erlebnisse immer wieder zurückgekommen und haben Stärke bewiesen. Das ist auch ein klares Zeichen und ein Vertrauensbeweis in meine Arbeit. Deshalb gab es nicht diesen einen Moment, sondern wir haben uns vielmehr in einigen Spielen für gute Leistungen nicht ausreichend belohnt.
Ist die Aufgabe HSV für einen Trainer denn wirklich so brutal, wie sie es zu sein scheint?
Die Aufgabe ist sicherlich herausfordernd, aber sicherlich nicht unlösbar. Ich wäre gerne der Trainer gewesen, der es geschafft hätte.
Thioune wollte mit dem HSV in die Bundesliga aufsteigen
Wie sehr schmerzt es, dass es so zu Ende ging?
Natürlich sehr. Daraus mache ich keinen Hehl. Wie gesagt, ich wäre gerne der Trainer gewesen, der den HSV in die Bundesliga zurückführt.
Nun darf Horst Hrubesch es bis zum Saisonende versuchen. Was wünschen Sie ihm?
Nur das Beste. Horst ist ein wunderbarer Mensch und ein absoluter Fußballfachmann. Er war für mich in den letzten Monaten wie ein väterlicher Freund. Deswegen wünsche ich ihm und dem HSV die neun Punkte aus den letzten drei Spielen.
Das lernte Thioune in seiner HSV-Zeit
Was werden Sie aus Ihrer HSV-Zeit mitnehmen?
Jede Menge. Die vielen Erfahrungen haben mich bereichert und mich gestärkt daraus hervorgehen lassen. Bis zuletzt habe ich es als großes Privileg empfunden, HSV-Trainer zu sein. Alles Weitere werde ich in den nächsten Wochen für mich reflektieren und analysieren.
Ist es denkbar, dass Sie bereits zur neuen Saison bei einem anderen Verein anfangen? Es halten sich Gerüchte, Paderborn sei an Ihnen interessiert.
Das Einzige was ich weiß, ist, dass ich gerne Trainer bin. Es ist für mich kein Beruf, sondern Berufung. Ich mache es aus Freude und Leidenschaft. Das wird mir keiner nehmen. Ich werde wieder an der Seitenlinie stehen. Zu welchem Zeitpunkt und bei welchem Verein das sein wird, wird man sehen.