Sie kamen mit dem Hubschrauber: Terroristen nehmen Seeleute als Geisel
Als die Terroristen das Schiff im Roten Meer attackierten, nahmen sie Bilder auf, die an die Ästhetik eines Computerspiels erinnern. Ein Hubschrauber rattert über den Autofrachter, dann seilt sich ein Kommando ab und stürmt mit Sturmgewehren die Brücke. Auch so funktioniert Kriegsführung im TikTok-Zeitalter. Fehlt nur noch, dass DJ Huthi einen Beat drunter legt.
Dies geschah am 19. November 2023. Seit diesem Tag sind 25 Crewmitglieder des Autotransporters „Galaxy Leader“ Geiseln der Huthi, die manche „Rebellen“ nennen, obwohl es nichts anderes sind als islamistische Terroristen, die der Iran finanziert. 25 Seeleute verschiedener Nationalitäten (Philippinen, Ukraine, Bulgarien, Mexiko) gerieten ins Visier, weil angeblich ein Anteil des Schiffes einem britisch-israelischen Geschäftsmann gehört.
Niemand weiß, wie es den Seeleuten geht
Wie es den Seeleuten geht? Niemand weiß das. Es heißt, einige hätten sich kurz bei ihren Familien melden dürfen. Die japanische Reederei NYK Line bemüht sich um ihre Freilassung. Politische Appelle der G7-Staaten, dieses Verbrechen zu beenden, blieben ungehört.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Nun gibt es einen neuen, internationalen Aufruf an die Geiselnehmer, den die Internationale Schifffahrtskammer in London veröffentlichte. Reederverbände und Gewerkschaften haben ihn unterzeichnet und auch die Deutsche Seemannsmission. „Es ist abscheulich, dass die Seeleute von den Streitkräften entführt und zu lange von ihren Familien und Angehörigen ferngehalten wurden“, heißt es wörtlich.
Im Seemannsclub „Welcome“ von Bremerhaven steht eine gerahmte Fotografie der „Galaxy Leader“, als Vorlage von Fürbitten: „Unsere Gebete sind bei Euch“. Der Frachter war häufiger Gast in den Docks der Seestadt.
Fromme Wünsche werden allerdings kaum ausreichen, die Entführungsopfer nach Hause zu bringen. Sie befinden sich vermutlich noch auf ihrem Schiff, dessen Ortung über das Automatic Identification System (kurz: AIS) eingeschaltet blieb. Die ganze Welt kann per App sehen, wo sich der gekaperte Frachter befindet, nämlich in der Bucht einer Landzunge namens Al Jaziah.
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Seit einigen Wochen veranstalten die Huthi Besichtigungstouren auf dem Autofrachter. In Booten fahren sie Besucher heran, die dann über israelische und amerikanische Flaggen trampeln und sich feixend auf den Decks fotografieren. Das Sightseeing hat einen praktischen Nebeneffekt: In einer so unübersichtlichen Lage ist es nahezu unmöglich, dass Spezialeinheiten wie der Special Air Service (SAS) der Royal Navy oder die Navy Seals der U.S. Navy die Gefangenen befreien. Die Leidenszeit von 25 Seeleuten geht weiter. Ende offen.