Cannabis-Gesetz kriminelles „Konjunkturprogramm“: Richter schreiben Brandbrief
Das geplante Cannabisgesetz ruft den Hamburgischen Richterverein auf den Plan. Die Richter und Staatsanwälte sind in Sorge und fordern Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) in einem offenen Brief auf, ihren Einfluss bei der Entscheidung des Bundesrates in Berlin geltend zu machen. Der Verein fordert „substanzielle Änderungen am Gesetz“.
„Das Cannabisgesetz in seiner jetzigen Form ist ein Konjunkturprogramm für die organisierte Betäubungsmittelkriminalität!“ So klare Worte stehen in dem offenen Brief des Richtervereins. Der Schwarzmarkt werde nicht verschwinden, die Ermittlungsmöglichkeiten aber erheblich erschwert und eingeschränkt.
Durch den Bundestag ist das sogenannte Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis bereits durch, der Bundesrat folgt Mitte März. Nach dem Deutschen Richterbund äußert jetzt auch der Hamburgische Richterverein Bedenken.
Offener Brief an Anna Gallina: Änderungen nötig
In dem offenen Brief heißt es, zu gesundheitspolitischen Aspekten wolle man sich gar nicht äußern. Aber das Ziel der Legalisierung, um so den Umgang mit Cannabis in der Gesellschaft in bessere Bahnen lenken zu können, als es bei dem gegenwärtigen Verbot von Cannabis der Fall ist, sei nicht erreichbar, „wenn das dazu beschlossene Gesetz handwerklich derart schlecht ist, dass dieses Ziel mit den getroffenen Maßnahmen nicht erreicht werden wird“.
Der illegale Schwarzmarkt werde dadurch, dass Erwachsene künftig Cannabis zu Hause oder in Cannabis-Clubs anbauen dürften, nicht verschwinden. Für viele Konsumenten, insbesondere Gelegenheitskonsumenten, sei beides derart hochschwellig, dass sie weiterhin auf dem Schwarzmarkt kaufen werden.
Das zeige auch den grundsätzlichen Fehler im Cannabisgesetz: „Der Erwerb und Besitz von 25 bzw. 50 Gramm Cannabis wird künftig straffrei sein, unabhängig davon, ob das Cannabis aus einer legalen Quelle stammt oder nicht. Die Ermittlungsmöglichkeiten hingegen werden erheblich eingeschränkt.“
„Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz gefährdet“
Zudem gefährde „die geplante Rückwirkung der teilweisen Straffreiheit“ für Besitz und Anbau von
Cannabis die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz. „Bereits abgeschlossene Strafverfahren müssten überprüft werden.“ Die Richter erinnern daran, dass Cannabis nur dann zum Konsum freigegeben werden solle, wenn die Freigabe in ein umfassendes Schutzkonzept – so zweifelhaft dieses auch sei – eingebettet sei.
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Zum Zeitpunkt der früheren Verurteilungen gab es ein solches Schutzkonzept noch nicht. Dies sollte aus Sicht des Richtervereins Grund genug sein, die früheren Verurteilungen aufrecht zu erhalten.
Daher appelliert der Hamburgische Richterverein an Justizsenatorin Anna Gallina: „Wir bitten Sie dringlich, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Bundesrat den ganzen Einfluss unseres Bundeslandes geltend zu machen, um doch noch substanzielle Änderungen zu erwirken.“
Das ist geplant: Das Cannabis-Gesetz soll am 1. April inkrafttreten. Die Vorschriften für den gemeinschaftlichen Eigenanbau in den sogenannten Anbauvereinigungen aber erst am 1. Juli. Das Gesetz sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Erlaubt ist dann der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch sogenannte Anbauvereinigungen.
Wer privat pflanzt, der darf bis zu drei Cannabispflanzen haben. Die nichtgewerblichen Anbauvereinigungen Cannabis an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben – und zwar maximal 25 Gramm pro Tag oder 50 Gramm pro Monat. Die Ausgabe von Cannabis an Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren ist auf 30 Gramm pro Monat mit einer Begrenzung des THC-Gehalts auf zehn Prozent zulässig.
In einer Schutzzone von 100 Metern um Anbauvereinigungen sowie Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen und öffentlich zugängliche Sportstätten wird der Konsum von Cannabis verboten.