CDU „fassungslos“: Politiker haben letzte Hoffnung, um das Cannabis-Gesetz zu stoppen
Der Bundesrat hat das Cannabis-Gesetz passieren lassen. Die Kritik verstummt trotzdem nicht. Der CDU-Gesundheitspolitiker Sorge will nun, dass der Bundespräsident die Notbremse zieht.
Die Unionsfraktion im Bundestag hofft, das vom Bundesrat abgesegnete und weiterhin hochumstrittene Cannabis-Gesetz der Ampel-Koalition doch noch aufhalten zu können. Ihr gesundheitspolitischer Tino Sorge appellierte an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, es nicht zu unterzeichnen.
„Das Gesetz sollte nach der chaotischen Debatte der letzten Wochen vorerst gestoppt werden. Dafür ist es noch nicht zu spät“, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). „Wir appellieren an den Bundespräsidenten, das Cannabis-Gesetz nicht zu unterzeichnen. Zu groß ist die einstimmige Kritik sämtlicher Justiz- und Innenminister der Länder.“
Der Bundesrat hatte das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Cannabis-Legalisierung am Freitag passieren lassen. Trotz viel Kritik kam in der Länderkammer keine Mehrheit dafür zustande, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen und das Gesetz damit auszubremsen. Dieses erlaubt den Besitz und Anbau der Droge für Volljährige mit zahlreichen Vorgaben zum Eigenkonsum – eine Zäsur in der deutschen Drogenpolitik.
Bundespräsident prüft Gesetze verfassungsrechtlich
Die Reform kann damit am Ostermontag in Kraft treten. Zuvor muss sie aber noch von Steinmeier unterzeichnet und amtlich verkündet werden. Der Bundespräsident prüft Gesetze im Wesentlichen darauf, ob sie nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen sind. Nach überwiegender juristischer Meinung steht ihm daneben in engen Grenzen auch ein materielles Prüfungsrecht zu. Danach kann er die Unterschrift unter ein Gesetz verweigern, wenn dessen Inhalt ganz offensichtlich gegen das Grundgesetz verstößt.
Bisher gab es nach Angaben des Bundespräsidialamts nur acht Fälle, in denen das Staatsoberhaupt es ablehnte, ein Gesetz zu unterschreiben. Im hitzigen Streit über die Cannabis-Legalisierung hatte die Frage einer möglichen inhaltlichen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes keine Rolle gespielt.
Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktionen in den deutschen Landtagen, des Deutschen Bundestages und der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion hatten das Staatsoberhaupt schon Anfang März aufgerufen, seine Unterschrift zu verweigern. Sie begründeten dies damit, dass die Legalisierung aus ihrer Sicht gegen das Völker- und Europarecht verstößt. Die Bundesregierung vertritt dagegen die Auffassung, dass das beschlossene Modell zulässig ist.
Lauterbach verteidigt teilweise Liberalisierung von Cannabis
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte die Teil-Liberalisierung. „Die jetzige Drogenpolitik ist auf jeden Fall bei Cannabis klar gescheitert“, sagte der SPD-Politiker am Freitagabend im WDR-Fernsehen. „Wir haben eine Verdopplung des Konsums bei den 18- bis 25-Jährigen, 50 Prozent mehr bei den 12- bis 17-Jährigen in den letzten zehn Jahren.“ Die Regierung will den Schritt mit einer Präventionskampagne begleiten und argumentiert, dass durch die Teil-Liberalisierung der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden könne.
NRW-Innenminister Reul „fassungslos“
Dieser Einschätzung widersprach der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU). „Glauben Sie denn, dass die, die organisierte Kriminalität im Drogenhandel machen, sagen: Okay, jetzt geben wir auf, jetzt machen wir nichts mehr?“, sagte der CDU-Politiker in den ARD-„Tagesthemen“. „Die werden neue Wege finden. Die werden stärkere Dosen anbieten, die werden andere Preise auf dem Markt anbieten.“
Reul äußerte zudem Zweifel an der Kontrollierbarkeit der neuen Regeln, die schon in wenigen Tagen greifen sollen. Er sei „fassungslos“, sagte er. „Ich hab‘ noch nie erlebt, dass man so in ein Gesetz reinstolpert.“ Offensichtlich sei in Berlin eine Regierung am Werk, „die um jeden Preis irgendwas hinkriegen muss“.
Ramelow kritisiert „rumpelige Beziehung“ zwischen Bund und Ländern
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Unionsländer sollten nicht den Eindruck erwecken, dass die Suchtgefahr nun wegen der Cannabis-Legalisierung steige. „Sie war immer da. Die Entkriminalisierung muss der Einstieg sein, dass wir uns um Suchtprävention kümmern und dass wir den kriminellen Strukturen das Geschäftsfeld entziehen.“
Zugleich forderte der Linken-Politiker eine bessere Beteiligung der Länder bei Gesetzgebungsverfahren durch den Bund – denn es seien die Länder, bei denen es um Vollzug und Umsetzung gehe. „Wir erleben derzeit eine ziemlich rumpelige Beziehung zwischen Bund und Ländern – auch schon vor dem Cannabis-Gesetz. Das ist nicht gut.“ (mp/dpa)