Zwei Menschen in Arztkitteln
  • Gesine Cukrowski (l.) als Ruth Wolff und Tash Manzungu als Junior
  • Foto: Oliver Fantitsch

Macht, Moral und Medizin: Großer Jubel für „Die Ärztin“ am Ernst-Deutsch-Theater

Erfolg auf der ganzen Linie für „Die Ärztin“: Fast atemlos verfolgte das Premierenpublikum am Ernst-Deutsch-Theater den Fall der Medizinerin Ruth Wolff, der sich im landauf, landab gespielten Erfolgsstück von Robert Icke an identitätspolitischen Problemen entzündet.

Auslöser des Konflikts: Ruth Wolff, jüdische Leiterin einer renommierten Alzheimer-Klinik, behandelt ein 14-jähriges Mädchen. Emily liegt aufgrund einer Sepsis – verursacht durch eine missglückte Abtreibung mit online bestellten Pillen – im Sterben. Um ihre Patientin zu schützen, verweigert sie einem katholischen Priester den Zutritt ins Krankenzimmer. 

Beeindruckend gut: TV-Star Gesine Cukrowski

Beeindruckend gut: TV-Star Gesine Cukrowski, deren Verhalten als selbstbewusste Ärztin einen Shitstorm auslöst, der sie ihren Job kostet – weil es dem Team um sie herum nicht gelingt, dem Druck der öffentlichen Meinung standzuhalten. Wie mit dem Skandal umgehen? Über der Suche nach Antworten zerfällt die Ärztegemeinschaft. Und auch die Sorge um den guten Ruf der Klinik und die Furcht vor dem Verlust potenter Geldgeber schwingt immer mit.

Die dichte Inszenierung von Regisseur Hartmut Uhlemann – mit bis in die kleinste Rolle großartig besetztem Darstellerinnen und Darstellern – zeigt eindringlich wie eine, so Ruth, „öffentliche Hinrichtung im digitalen Zeitalter“ funktioniert – über Vorverurteilungen und das vorschnelle Einordnen von Menschen in „Identitätsschubladen“.

Sind Arzt und Chefarzt im Stück: Yann Mbiene und Theater-Chefin Isabella Vértes-Schütter Oliver Fantitsch
Zwei Menschen sitzen vor einer Holzwand
Sind Arzt und Chefarzt im Stück: Yann Mbiene und Theater-Chefin Isabella Vértes-Schütter

Dem entgeht das Stück, dass (sehr frei nach dem Arthur-Schnitzler-Klassiker „Professor Bernhardi“) unsere komplexe Gesellschaft spiegelt, indem es  Rollenvorstellungen durchkreuzt. Männer werden von Frauen gespielt, so der seine eigenen Interessen vorantreibende Chefarzt Roger Hardiman von Intendantin Isabella Vértes-Schütter. Gerd Lukas Storzer tritt als schwarzer Pfarrer Rice, Yann Mbiene als weißer Arzt auf.

Ein aufwühlender und anregender Abend, der zu Jubelstürmen und Standing Ovations hinriss – und dem Publikum eine Gelegenheit bietet, auf dem Weg aus dem Theater eigene Vorurteile zu überdenken.

Ernst-Deutsch-Theater: bis 19.4., diverse Uhrzeiten, 24-44 Euro

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