Die Angeklagten Lukas D. (l.) und Dawid B. verbergen ihre Gesicher hinter Aktendeckeln.
  • Die Angeklagten Lukas D. (l.) und Dawid B. verbergen ihre Gesicher hinter Aktendeckeln. Im neu aufgerollten Strafprozess um einen Gewaltexzess in einer Monteurswohnung geht es um versuchten Mord und Beihilfe.
  • Foto: Daniel Dörffler

Mitbewohner tagelang misshandelt: „Wir dachten, er sei bereits tot“

„Heimtückisch und grausam“ seien die Täter zu Werke gegangen, als sie Piotr W. (53) fast tot prügelten, ihn dabei noch demütigten – tagelang. So schildert es die Staatsanwältin in ihrer Anklageverlesung. Der Haupttäter habe die Taten aus einer „sadistischen Neigung“ und einer „Freude am Quälen“ heraus begangen. Zwei der Peiniger wurden bereits zu Haftstrafen verurteilt, einer wegen gefährlicher Körperverletzung, ein zweiter wegen unterlassener Hilfeleistung. Dennoch wird der Fall seit Mittwoch wieder vor dem Landgericht Hamburg verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil Revision eingelegt – mit Erfolg.

Dass Piotr W. überhaupt noch lebt, grenzt an ein Wunder. Unterkühlt und mit schwersten Verletzungen wurde der Handwerker am 15. August 2021 aus seiner Wohnung in Hausbruch (Bezirk Harburg) gerettet. Er war nackt und blutüberströmt. „Ohne die intensivmedizinische Versorgung wäre der Geschädigte gestorben“, führt die Staatsanwältin in ihrer Anklage aus. Der Prozess wird neu verhandelt, der Vorwurf lautet nun nicht mehr gefährliche Körperverletzung, sondern versuchter Mord.

Hamburg: Gewaltexzess in Monteurswohnung wird neu verhandelt

Das Martyrium des Mannes begann einen Tag zuvor. Piotr W. lebte zur Tatzeit in einer Monteurswohnung an der Cuxhavener Straße, gemeinsam mit vier polnischen Landsleuten. Sie alle arbeiteten für eine Abrissfirma. Am Abend des 14. August – W. schlief bereits – soll Lukas D. sein Zimmer betreten haben. Gemeinsam mit einem weiteren, gesondert verfolgten Mitbewohner, schlug und trat er, laut Anklage, auf ihn ein. Sie sollen sogar Möbel auf den Mann geworfen haben. Am Ende war das Zimmer verwüstet. Piotr W. erlitt Knochenbrüche, Blutergüsse und eine Platzwunde. Der 53-Jährige sei bis zum Mittag des nächsten Tages unfähig gewesen, aufzustehen.

August 2021: Retter versorgen den von Kollegen schwerletzten Piotr W. Blaulicht-News
Retter schieben Trage in Rettungswagen
August 2021: Retter versorgen den von Kollegen schwerletzten Piotr W.

Während der Anklageverlesung sitzen die beiden Angeklagten, Lukas D. und Dawid B. (beide 37), mit regungsloser Miene im Saal. Beide tragen Kurzhaarfrisuren, Lukas D. ein weißes Hemd, sein Mitangeklagter eine blaue Steppjacke. Über Kopfhörer lauschen sie dem Dolmetscher. D., der mutmaßliche Haupttäter, kommt direkt aus der U-Haft.

Piotr W. musste sein eigenes Blut aufwischen

Am Folgetag schleppte sich Piotr W. in die Küche, wo Lukas D. erneut über ihn herfiel, bis sein Opfer das Bewusstsein verlor. Dawid B. sei auch da gewesen, und habe zugesehen. Als W. wieder zu sich kam, habe sein Peiniger ihn aufgefordert, sein eigenes Blut aufzuwischen. Laut Anklage drückte Dawid B. ihn zu Boden, damit Lukas D. ihn fotografieren konnte.

Seinen Höhepunkt fand der Gewaltexzess kurz darauf im Badezimmer. Dort malträtierte Lukas D. den duschenden Piotr W. mit einem Besenstiel, „bis er verbogen war“. Der 53-Jährige stürzte durch die Glaswand der Duschkabine, schnitt sich am Glas. Lebensgefährlich verletzt hätten die Angeklagten ihr Opfer zurückgelassen, „im Glauben, er sei bereits tot oder werde in Kürze sterben“.

Staatsanwältin ist überzeugt: Lukas D. wollte töten

„Wir dachten, er sei bereits tot“, sagten Polizisten im ersten Prozess über den Zustand des Geschädigten. Trotz der hemmungslosen Gewalt erkannte das Landgericht damals keine Tötungsabsicht. Lukas D. wurde zu sieben Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Dawid B. erhielt eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil erfolgreich Revision ein, der Bundesgerichtshof hob das Urteil in Teilen auf. Jetzt wird neu verhandelt. Laut Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte Lukas D. töten, Dawid B. habe ihm dabei Beihilfe geleistet.

Das könnte Sie auch interessieren: Wohnungsstreit eskaliert vor Gericht: Plötzlich schreien alle nur noch rum

Richtig in Fahrt kommt der Prozess am ersten Tag nicht. Der Verteidiger von Lukas D. beantragt, dass Teile des ersten Urteils auf Polnisch übersetzt werden. Die Richterin gibt dem Antrag statt, die Befragung der Angeklagten wird vertagt. Der Prozess wird am Dienstag, den 30. April, fortgesetzt.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp