Tag der Arbeit: Schuften muss sich auch lohnen!
Der 1. Mai ist der große Kampftag der Gewerkschaften. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nutzt das, um über die angeblich mangelnde Arbeitsmoral im Land zu klagen. Eine wichtige Sache übersehen die Befürworter von mehr und härterer Arbeit allerdings.
Vier-Tage-Woche, Rente mit 63, Work-Life-Balance: Solche Worte und Ideen sind für Dulger offenbar ein „No-Go“. „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland“, erklärte er jetzt. „Deutschland diskutiert zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit – und zu wenig über den Wert von Arbeit“.
Diese Einlassungen sind schon ein wenig verwunderlich. Es ist zwar richtig, dass diese Themen hohe politische Aufmerksamkeit erhalten. Allerdings arbeiten mit etwa 49 Millionen momentan auch so viele Menschen in Deutschland wie noch nie.
Der Niedergang liegt nicht an zu wenig Arbeit
Dass es der Wirtschaft nicht so gut geht, liegt also nicht daran, dass zu wenig gearbeitet wird. Die Gründe sind eher darin zu suchen, dass wir kein billiges russisches Gas mehr erhalten und sich auch sonst die Bedingungen für erfolgreiches Wirtschaften weltweit verschlechtert haben. Dazu kommt: Es ist nicht so entscheidend, wie viel gearbeitet wird, sondern eher wie effektiv. Wäre es andersherum, gehörte beispielsweise Griechenland zu den erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt – tut es aber nicht.
Dulger ärgert sich offenbar vor allem über junge Menschen, die im Ruf stehen, hohe Ansprüche zu haben und nicht jede x-beliebige Arbeit sofort umstandlos anzunehmen. Aber kann man es ihnen wirklich verdenken? Die Generationen, die in den 50er, 60er oder 70er Jahren in die Arbeitswelt eingestiegen sind, konnten sich auf ein unausgesprochenes Versprechen verlassen: Wenn sie im Laufe ihres Lebens richtig ranklotzen, kann auch eine Krankenschwester oder ein Angestellter bei der Stadtreinigung die Familie ernähren, sich Urlaub leisten und im Laufe des Lebens ein kleines Häuschen oder eine Wohnung abbezahlen. Dieses Versprechen ist zum Teil zerbrochen. Heute können sich Durchschnittsverdiener von dem, was sie zurücklegen können, in Großstädten wie Hamburg, München oder Berlin mit Glück noch eine Gartenlaube leisten.
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Solange junge Menschen also das Gefühl haben, schuften lohnt sich kaum, wird sich an den von Dugler beklagten Zuständen kaum etwas ändern. Jeder einzelne Unternehmer hat es aber durchaus in der eigenen Hand die Dinge zum Positiven zu wenden: Diejenigen, die angemessene Löhne zahlen sich auch sonst flexibel zeigen, finden auch heute noch genug Menschen, die gerne für sie arbeiten.