Pressekonferenz im Hof von "Viva La Bernie"
  • „Viva La Bernie” will den eigenen Hof retten und eine neue Stadtentwicklung.
  • Foto: Marius Röer

Initiativen fordern: Hamburg muss für Bürger bauen, nicht für Investoren!

Zu viele Investoren, zu viel Abriss und zu wenig Beteiligung der Menschen – das läuft in der Stadtentwicklung schief, sagen fünf Initiativen aus Altona und St. Pauli. Die fordern jetzt gemeinsam einen Paradigmenwechsel.

Sie wollen nicht mehr jeder für sich um einzelne Projekte wie die vor sich hin zerfallende Schilleroper, die vor dem Abriss stehende Sternbrücke oder gegen das „Paulihaus“, das den Flachbau neben der Rindermarkthalle ersetzen soll, kämpfen, sondern ihre Interessen bündeln. Denn im Kern geht es ja bei Stadtentwicklungsprojekten letztlich immer um die gleiche Frage: Wer baut hier eigentlich für wen?

Diese fünf Initiativen, die nun also am Donnerstag im Hinterhof von „Viva la Bernie“ pünktlich zur Mini-Sonnenfinsternis ihr Sieben-Punkte-Papier „Moin Hamburg, so geht Stadt!“ vorgestellt haben, haben zu dieser Frage eine klare Haltung: Aus ihrer Sicht geht die Stadtentwicklung oft an den Bedürfnissen der Bürger:innen vorbei und spielt stattdessen nach den Regeln privater Investoren. Ein Beispiel ist eben der Gewerbehof in der Bernstorffstraße, in dem rund 110 Menschen seit etwa 30 Jahren arbeiten. Seit vor vier Jahren zwei Berliner Investoren den Hof kauften, haben sie Angst vor einem Abriss. Die Initiative „Viva la Bernie“ hält schon jetzt dagegen.

„Viva La Bernie“ will den eigenen Hof retten und eine neue Stadtentwicklung. Marius Röer
„Viva La Bernie“ will den eigenen Hof retten und eine neue Stadtentwicklung
„Viva La Bernie“ will den eigenen Hof retten und eine neue Stadtentwicklung.

Ein anderes Beispiel ist das Holsten-Areal: 2016 verzichtete die Stadt auf ihr Vorkaufsrecht und das 86.000 Quadratmeter große Gelände ging an die Düsseldorfer Gerchgroup. Es folgten mehrere Firmenhände und heute wird das Gelände von der Consus Real Estate entwickelt, die qua Geschäftsmodell auf Profit aus ist. „Das Holsten-Gelände, von dem etwa die Saga damals sagte, mehr als 50 Millionen Euro dürfe der Grund nicht kosten, wenn man dort sozialverträgliches Wohnen möglich machen wolle, ist heute auf 320 Millionen Euro hochgejubelt worden“, sagt Theo Bruns von der Holsten-Areal-Initiative „knallt am dollsten“ – je teurer der Grund, desto teurer müssten dann letztlich die Wohnungen sein, damit es sich für den Investor rechnet.

Seine Initiative hat gemeinsam mit der „Initiative Sternbrücke“, der „Initiative Schiller-Oper“, „St. Pauli Code jetzt!“ und „Viva la Bernie“ nun sieben Forderungen aufgestellt: Planung mit den Bewohner:innen beginnen, sich nicht von Investoren erpressen lassen, erhalten statt abreißen, keine neuen Bürogebäude genehmigen, bezahlbaren Wohnraum statt Luxusappartments bauen, Autostadt Tschüss sagen und Quartiere mit guter Nachbarschaft erhalten.

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Alles schon oft gehört. Und das sagt auch Niels Boeing, der das Sieben-Punkte-Papier mitverfasst hat. „Eigentlich sollte das alles doch mittlerweile Common Sense in der Politik sein, aber das ist es eben nicht. Im Gegenteil: trotz Corona lief das Geschacher der Stadt ungebremst weiter.“

Eines dieser Beispiele ist das sogenannte „Paulihaus“ neben der Rindermarkthalle an der Feldstraße. Seit die bisherige Betreiberin des indischen Restaurants im März gehen musste, wird das Gelände immer weiter abgeschottet. Mit Nato-Draht auf dem Dach, doppeltem Bauzaun und Videoüberwachung. „Es gibt auch bei diesem Projekt keine ordentliche Beteiligung der Anwohner:innen“, sagt Veronika Pramor von „St. Pauli Code jetzt!“. Darum sei auch der Unmut so groß und die Fronten seien verhärtet.

Veronika Pramor von “St. Pauli Code Jetzt” vermisst echte Beteiligungsverfahren. Marius Röer
Veronika Pramor von „St. Pauli Code Jetzt” vermisst echte Beteiligungsverfahren.
Veronika Pramor von „St. Pauli Code Jetzt” vermisst echte Beteiligungsverfahren.

Stadtentwicklungsbehörde sieht sich auf dem richtigen Weg

Die Stadtentwicklungsbehörde hingegen sieht sich gesprächsbereit. Es gebe aktuell viele Diskussionen um die Stadtentwicklung in Hamburg und selbstverständlich setze man sich auch mit kontroversen Positionen auseinander, sagt eine Behördensprecherin zur MOPO. „Unsere Stadtentwicklungspolitik folgt klaren Maßgaben: Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, lebenswerte Quartiere zu gestalten und die Bürgerinnen und Bürger an allen Prozessen zu beteiligen, zählen zum Beispiel dazu.“

Rund 150 Gruppen und Personen haben das Sieben-Punkte-Papier für ein Umdenken der Stadtentwicklung unterzeichnet. Darunter beispielsweise „Deichkind“ und Heinz Strunk oder Gesa Zimmer, Direktorin des City Science Lab an der HafenCity Universität. Sie alle fordern „eine zeitgemäße und solidarische Stadtplanung“. Oder, wie Boeing es ausdrückt: „Häuser kann man kaufen, aber Nachbarschaften nicht.“

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