Von wegen deutliches Signal gegen rechts: Vier Sylt-Demos – aber kaum einer ging hin
Wer gehofft hatte, an diesem Wochenende würde auf Sylt ein deutliches Zeichen gegen rechts gesetzt, der sieht sich nun enttäuscht. Nach dem Skandal um die Nazi-Gesänge in dem Edel-Club „Pony“ in Kampen zu Pfingsten waren für Samstag und Sonntag vier Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt – doch nur ziemlich wenige Menschen beteiligten sich. Einige der Kundgebungen erinnerten eher an ein Kaffeekränzchen.
Eine Gruppe von Punks hatte für Samstag zu einer Demo in Westerland aufgerufen. Aber lediglich zehn Demonstranten zogen unter dem Motto „Laut sein gegen rechts!“ durch den Ort. Die Teilnehmer zeigten Banner mit den Aufschriften „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Die Pogrome von morgen verhindern“ und „Refugees welcome“. Nach Angaben der Polizei hatte der Veranstalter bis zu 50 Teilnehmer erwartet.
450 Teilnehmer: Kundgebung in Westerland blieb hinter Erwartungen zurück
Am Samstagabend fand eine Mahnwache mit Musik vor dem „Pony“ in Kampen statt. Auch diese Kundgebung blieb hinter den Erwartungen zurück. Unter den sieben Teilnehmern waren Sylt-Einheimische, aber auch Leute aus Hamburg und Berlin. Sie sagten, sie seien da, weil sie auf die rassistischen Vorfälle auf Sylt reagieren wollten. Sie hörten bis tief in die Nacht Punkmusik und diskutierten.
Immerhin rund 450 Menschen folgten am Sonntag einem Aufruf des Bündnisses „Sylt gegen rechts“: „Wir zeigen klare Kante. Rassismus und rechtsextremes Gedankengut haben keinen Platz auf Sylt. Egal, ob Inselbewohner oder Tourist, wir stehen für eine bunte und lebenswerte Insel“, erklärte das linke Bündnis im Vorfeld. Vor dem Rathaus in Westerland demonstrierten zumeist Insulaner gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft. Zu den Rednern gehörten verschiedene Politiker und die dritte stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt, Katrin Kupfer. Die Veranstalter hatten mit 600 bis 800 Teilnehmern gerechnet. Auch in Keitum gab es eine Kundgebung mit wenigen Teilnehmern.
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Zu Pfingsten hatten Gäste des „Pony“ zur Musik des Party-Hits „L‘Amour Toujour“ einen rassistischen Text gesungen. Das löste einen bundesweiten Skandal aus. Wie die Polizei in Niedersachsen mitteilt, sind wegen es gleichen Vergehens inzwischen etliche neue Strafverfahren eingeleitet worden.
Im Landkreis Gifhorn sei es am Freitagabend und in der Nacht zu Samstag im Umfeld von Schützenfesten zu zwei solcher Fälle gekommen, teilte ein Polizeisprecher mit. Der erste Fall ereignete sich demnach am Freitagabend im Zusammenhang mit dem Schützenfest in der Gemeinde Isenbüttel. Eine 39 Jahre alte Frau meldete sich bei der Polizei: Als sie mit ihrer Familie das Schützenfest verlassen habe, sei auf dem Vorplatz aus einer Gruppe von etwa zehn Jugendlichen heraus die Parole „Ausländer raus“ gesungen worden. Einer der Jugendlichen habe außerdem ein Wahlplakat der AfD hochgehalten.
Am frühen Samstagmorgen soll auf dem Schützenplatz des Ortes Meine eine Gruppe ebenfalls „Ausländer raus“ gesungen haben. Eine zweite Gruppe habe in den Gesang eingestimmt. Als Polizeibeamte die Personen daraufhin ansprachen, seien die Gesänge beendet worden. Gegen neun Personen im Alter von 16 bis 44 Jahren seien Strafverfahren eingeleitet worden.
„L’Amour Toujours“: Am laufenden Band neue Strafverfahren wegen rassistischen Gesängen
Mit Stand 28. Mai waren dem Landeskriminalamt in Niedersachsen 28 Fälle bekannt, in denen Menschen die rassistisch umgedichtete Version des Liedes „L’Amour Toujours“ gesungen haben, darunter bei mehreren Schützenfesten.
Das Phänomen einer inhaltlicher Umdichtung des Originaltexts mit ausländerfeindlichen Gesängen wurde laut Polizeiangaben im November 2023 bekannt. Bei der Verbreitung hätten soziale Netzwerke eine große Rolle gespielt. Ermittelt wird, ob das Singen dieser Parolen strafrechtlich als Volksverhetzung zu werten ist. Dabei kommt es immer auf den Kontext an, unter anderem darauf, ob dadurch zu Hass und Gewalt aufgestachelt wurde.
Für Volksverhetzung liegt der Strafrahmen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe. Wer Videos der rassistischen Gesänge weiterleitet, kann sich nach Angaben des Justizministeriums unter Umständen ebenfalls strafbar machen. In diesem Fall könnten auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen infrage kommen.