Kazim Abaci: „Mich widert es an, dass Islamisten durch unsere Straßen laufen!“
Er war schon im Januar, als es hieß „Hamburg steht auf gegen Rechtsextremismus“, einer von denen, die die Fäden zogen: der Geschäftsführer des Vereins „Unternehmer ohne Grenzen“ und SPD-Politiker Kazim Abaci (59). 180.000 Teilnehmer konnten er und seine Mitstreiter damals mobilisieren. An diesem Freitag soll ab 16 Uhr in der City abermals für Demokratie demonstriert werden, und erneut ist Abaci einer der Mitorganisatoren. Gerade im Hinblick auf die Wahlen, die am Sonntag stattfinden, will ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Parteien, Wirtschaftsverbänden und Sport ein „starkes Zeichen gegen Rassismus und rechtsextreme Hetze“ setzen. Im MOPO-Interview stellt sich Abaci unseren Fragen.
MOPO: „Rechtsextremismus stoppen – Demokratie vereidigen – Wählen gehen“, das ist das Motto Ihrer Demo. Das klingt so, als würde die Demokratie allein von rechts bedroht. Der jüngste Verfassungsschutzbericht Hamburg warnt beispielsweise auch vor Islamisten. Gerade wurde in Mannheim ein Polizist von einem mutmaßlich islamistischen Täter umgebracht …
Kazim Abaci: Richtig, und deshalb richtet sich unsere Demonstration auch nicht alleine gegen Rechtsextremismus – wobei von dort aktuell die größte Bedrohung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht. Freiheit und Demokratie werden auch von anderer Seite herausgefordert – insbesondere der Islamismus stellt für das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft eine Gefahr dar. Wir demonstrieren am Freitag gegen Extremisten aller Couleur. Es geht gegen alle, die Freiheit und Demokratie und unsere Werte bekämpfen wollen.
„Die richtige Antwort auf Islamismus ist nicht Rechtsextremismus, sondern Demokratie und Rechtsstaat“
Bleiben wir erstmal beim Rechtsextremismus. Was für ein Ziel verfolgen Sie mit der Demo?
In Deutschland haben wir es mit einer rechtsextremistischen Partei zu tun, die bundesweit in Parlamenten vertreten ist und laut Umfragen gerade in den östlichen Bundesländern ziemlich großen Zulauf hat. Gleichzeitig erleben wir auch im übrigen Europa einen Rechtsruck, und es steht zu befürchten, dass das nach dieser Europawahl noch schlimmer wird. Unser Ziel ist es, den Rechtsextremismus zu stoppen, wir wollen verhindern, dass ultrarechte Kräfte in den Parlamenten noch stärker werden, als sie schon sind. Wie weit rechtsextremistisches Gedankengut in unserer Gesellschaft Fuß gefasst hat, haben zuletzt die Vorfälle auf Sylt und in anderen Teilen der Republik gezeigt. Da ertönt ein harmloser Song – und wie selbstverständlich singen junge Menschen auf Partys dazu menschenverachtende Zeilen. Das ist eine Entwicklung, die nicht nur mir Sorgen bereitet und die gestoppt werden muss.
Und das schaffen Sie durch eine Demo?
Wir können die Bekämpfung von Extremismus nicht allein den Sicherheitsbehörden überlassen, die übrigens eine gute Arbeit leisten, wie ich finde. Daneben ist die Zivilgesellschaft gefragt. Mit unserer Demonstration wollen wir auf die Wahlen, die am Sonntag stattfinden, aufmerksam machen und daran erinnern, wie wichtig es ist, seine Stimme abzugeben. Denn eins steht zweifelsfrei fest: Die Gegner der Demokratie gehen auf jeden Fall wählen. Umso wichtiger ist, dass auch die große Mehrheit der Demokraten ihre Stimme abgibt. Wir hatten bei den vergangenen Europawahlen immer schwache Wahlbeteiligungen. Das muss sich ändern. Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto niedriger wird der Anteil der Rechten sein. Deshalb mein Appell: Zur Wahl gehen und demokratisch wählen!
Der Fall von Mannheim, wo ein mutmaßlicher Islamist einen Polizisten umgebracht hat, könnte der AfD neuen Auftrieb geben, oder wie sehen Sie das?
Ja, das ist leider so. Solche Taten sind eine Steilvorlage für die AfD, daraus schlägt sie politisches Kapital. Es ist ein seltsamer Reflex, dass nach einer islamistischen Tat die Zahl der Leute, die mit Rechtsextremismus sympathisieren, fast automatisch zunimmt. Wir sagen: Die richtige Antwort auf Islamismus ist nicht Rechtsextremismus, sondern sind Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat.
Nochmal zum Islamismus: Deutschland rühmt sich, eine wehrhafte Demokratie zu sein. Gleichzeitig ist es aber der Bundesregierung immer noch nicht gelungen, das Islamische Zentrum Hamburg, zu schließen. Und auf Hamburgs Straßen haben kürzlich die Islamisten von „Muslim interaktiv“ ziemlich lautstark Werbung für ein Kalifat gemacht – und niemand hat das unterbunden. Wie wehrhaft ist sie denn wirklich, die Demokratie?
Erstens: Was die Schießung der Blauen Moschee angeht, da ist der Prozess in vollem Gange. Es haben Durchsuchungen stattgefunden, es wurden viele Unterlagen beschlagnahmt, der stellvertretende Leiter wurde ausgewiesen. Aktuell ist das Bundesinnenministerium unter Hochdruck dabei, die sichergestellten Beweise zu prüfen. Das dauert seine Zeit, denn eins ist doch klar: Wenn das IZH verboten wird, dann muss solch ein Verbot auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Und was die Aufmärsche von „Muslim Interaktiv“ angeht, so teile ich die Empörung vieler Menschen. Auch mich widert es an, dass Islamisten durch unsere Straßen laufen. Aber wir sind ein Rechtsstaat. Es gibt Grundrechte, dazu gehört auch die Demonstrationsfreiheit. Die Polizei und die zuständigen Behörden haben intensiv ein Verbot dieser Kundgebungen geprüft – und es gab rechtlich keine Handhabe.
„Demo am Freitag ist eine gute Gelegenheit für die Freunde der Demokratie, ein starkes Zeichen zu setzen“
Weil wir gerade bei Verboten sind: Wir erleben, dass es bei der AfD so manchen Politiker gibt, der sich Moskau und Peking weitaus verbundener fühlt als Berlin oder Hamburg… In der Frage eines AfD-Verbotes – wie ist da Ihre Position?
Wenn eine Partei die Demokratie nutzt, um die Demokratie abzuschaffen, dann muss die Demokratie auch in der Lage sein, sich zu wehren. Ich bin klar für eine ernsthafte Prüfung eines Verbotsverfahrens der AfD. Ein Parteiverbot kann nicht aus politischen Erwägungen eingeleitet werden und hat sehr große Hürden. Aus gutem Grund. Das muss faktenbezogen und rechtlich sicher sein. Hier gilt das Gleiche, was fürs Islamische Zentrum Hamburg gilt: Ein Verbot muss vor Gerichten Bestand haben. Alles wird davon abhängen, ob die Beweise ausreichen. Aber mal weg von Verboten: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist nicht allein Sache von Gerichten und Behörden. Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss im Alltag stattfinden, muss von der Mitte der Gesellschaft getragen werden. Wenn sich ein Kollege am Arbeitsplatz rassistisch und ausländerfeindlich äußert, dann muss jeder von uns widersprechen. Wenn einer auf einer Party zu „L’Amour Toujour“ „Deutschland den Deutschen“ anstimmt, dann müssen die anderen Partygäste einschreiten und das unterbinden. Der Kampf gegen rechts und gegen Extremismus überhaupt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und die Demo an diesem Freitag ist eine gute Gelegenheit für die Freunde der Demokratie, ein starkes Zeichen zu setzen.
Zur Demo am Freitag, 7. Juni: Sie startet um 16 Uhr auf der Ludwig-Erhard-Straße mit einer Kundgebung. Der Demonstrationszug setzt sich um 17.15 Uhr in Bewegung. Geplante Route: Ludwig-Erhard-Straße, Großer Burstah, Mönckebergstraße, Bergstraße, Ballindamm, Lombardsbrücke, Esplanade, Stephansplatz, Gorch-Fock-Wall, Johannes-Brahms-Platz, Kaiser-Wilhelm-Straße, Stadthausbrücke, Ludwig-Erhard-Straße. Dort findet um 18.30 Uhr die Abschlusskundgebung statt.