Atom ahoi – sind Schwimm-AKWs die Zukunft?
Auf den Meeren gibt es seit einigen Monaten eine Art Tempolimit, eines, das sich Reedereien wie Hapag-Lloyd selbst auferlegt haben. Um Treibstoff und damit Geld zu sparen, lässt der Konzern vom Ballindamm seine 266 Frachter im Schnitt 1,5 Knoten langsamer fahren.
Bis 2045 möchte Hamburgs großes Schifffahrtsunternehmen seine Flotte dekarbonisieren. Was noch nach viel Zeit klingt, ist in Wahrheit ein ambitioniertes Ziel, denn die meisten Schiffe verfeuern heute noch Schweröl, ein ekliges Abfallprodukt. Die Umrüstung der Ozeanriesen ist teuer und die Treibstofflogistik kompliziert.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Hapag-Lloyd experimentiert mit grünem Methanol, wie Maersk, denn auch den Dänen ist es nicht egal, was mit der Umwelt passiert. Nun hat Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen im „Spiegel“ eine Idee geäußert, die in Kreisen der Grünen für Schnappatmung sorgen dürfte.
Flüssigsalzreaktoren sollen Potenzial haben
„Atomreaktoren haben gewisses Potenzial“, sagte er und meint nukleare Flüssigsalzreaktoren. Wie realistisch die Aussicht auf schwimmende Mini-AKWs ist, werde sich erst im nächsten Jahrzehnt zeigen, schob Habben Jansen hinterher. Ein solcher Nuklearfrachter bekäme garantiert eine prickelnde Einlaufparade an der Elbe.
Die Idee, große Schiffe mit Atomkraft scheinbar endlos weit übers Meer fahren zu lassen, ist nicht neu. Insgesamt knapp 200 gibt es, Marineschiffe, U-Boote, Eisbrecher. In den 1960er Jahren lief der erste Nuklearfrachter vom Stapel, die „NS Savannah“, ein spektakulär teurer Flop, der umgerechnet eine halbe Milliarde Dollar kostete und den niemand nachbauen wollte.
„Otto Hahn“ wurde in Hamburg entwickelt
In Geesthacht bei Hamburg entwickelte man die „Otto Hahn“, einen Mix aus Forschungsschiff und Frachter, gebaut von der Kieler Howaldtswerke AG. Das Schiff hatte zwei Brücken und große Labore für Wissenschaftler an Bord. Den Vertrag hatte man feierlich im Hamburger Hotel „Atlantic“ gezeichnet, und beim Stapellauf am 13. Juni 1964 war Otto Hahn dabei, der als „Vater der Kernchemie“ gilt.
Erst 1968 fuhr das Forschungsprojekt dann los und war im Laufe der Jahre insgesamt 650.000 Seemeilen unterwegs. Ab 1977 übernahm Hapag-Lloyd die Bereederung, mit wenig Erfolg: Kaum ein Hafen wollte diesen strahlenden Hahn an der Pier wissen. Wenn überhaupt, durfte das Schiff nur mit Sondergenehmigung einlaufen, hauptsächlich in Afrika und Asien. Weil die Behörden des Panama- und Suezkanals die Durchfahrt verwehrten, gab es lange Umwege um stürmische Kaps.
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Schon 1979 war das unrentable Experiment zu Ende. Der Reaktor kam raus und ein konventioneller Schwerölantrieb rein. Im Unterschied zur „NS Savannah“, die gleich als Museumsschiff festmachte, war die „Otto Hahn“ noch mit acht anderen Namen und bis 2009 auf See, zuletzt als „MS Madre“.
Ein Überbleibsel steht heute in Geesthacht. Das ehemalige Bugwappen, auf einer Wiese, hinter einem Freibad.