Balkan-Party in München: Star-Torwart patzt, erste EM-Überraschung perfekt
Aschenputtel schlug eiskalt zu: Die Rumänen haben den geringsten Marktwert aller 24 EM-Teilnehmer – und starteten mit einem 3:0 gegen die Ukraine furios ins Turnier. Balkan-Party in München!
Wer dachte, die blau gefärbten Haare von Verteidiger Andrei Ratiu seien bereits das auffälligste an der rumänischen Elf, sah sich schon vor dem Pausenpfiff in München getäuscht. Der Außenseiter suchte beherzt seine Chancen und durfte jubeln, als Ukraines Star-Keeper Andriy Lunin (spielt bei Real Madrid) einen Ball zu kurz klärte. Nicolae Stanciu (29.) beförderte den Ball nach Zuspiel von Razvan Marin mit einem 20-Meter-Kracher in den Giebel. Ein Traumtor zum 1:0-Pausenstand für die Rumänen, die zuvor erst ein einziges EM-Endrundenspiel gewonnen hatten.
Dass sie die Zahl ihrer Siege verdoppeln würden, wurde nach Wiederanpfiff schnell klar. Razvan Marin (53.) ließ Lunin bei seinem Weitschuss-Abstauber erneut schlecht aussehen, Denis Dragus (57.) machte kurz darauf mit seinem 3:0 alles klar. Es war bereits der Endstand – die Rumänen gewannen damit zum Auftakt höher als England oder Italien, allein Deutschland und Spanien feierten ähnlich hohe Siege. Ianis Hagi schnappte sich nach Abpfiff ein Megafon, feierte und sang mit Fans und Mitspielern.
Die Ukraine wird kaum gefährlich
Die Ukrainer kamen zwar auf fast 70 Prozent Ballbesitz, brachten das rumänische Tor aber kaum in Gefahr. Ihre Rolle als Geheimfavorit mag der Sympathie für die Opfer des russischen Angriffskriegs geschuldet sein, sportlich gerechtfertigt ist sie nicht. Ein später Lattentreffer des eingewechselten Roman Yaremchuk (90.+2) gehörte zu den wenigen gefährlichen Aktionen. „Wir haben den Ball zwar kontrolliert, aber keinen Abschluss erzielt“, räumte Trainer Serhiy Rebrov ein: „Im Grunde haben wir in allen Bereichen verloren. Wenn du bei einer EM etwas holen willst, musst du einfach alles geben.“
Auf dem Wittelsbacherplatz im Münchner Stadtzentrum waren 21 Sessel der Tribüne eines Stadions in Kharkiv aufgebaut, die russische Bomben im Mai 2022 zerstört hatten. Das Stadion war für die EM 2012 als Trainingsstätte gebaut worden.
Das könnte Sie auch interessieren: „Entbehrt jeder Grundlage“: Scharfe Kritik an Bierpreisen bei der EM
„Wir sind auch hier, um zu zeigen, dass wir noch leben“, erklärte der ukrainische Rekordtorschütze und Ex-Nationaltrainer Andriy Shevchenko auf der Kundgebung vor dem Spiel, das in der Ukraine teilweise nicht zu sehen war. Im kriegsgebeutelten Land blieben zwischenzeitlich die Bildschirme schwarz. Das ukrainische Online-Portal TSN flüchtete sich in schwarzen Humor: „Das Fernsehbild verschwand, da es einem solchen Fußball der ukrainischen Nationalmannschaft nicht standhalten konnte.“
Der einstige Milan-Star Shevchenko wünschte sich ein gutes Abschneiden der Nationalelf, um den Menschen in der Ukraine Mut zu machen. Doch dafür müssen gegen die Slowakei und Belgien andere Leistungen her.