HSV-Boss hatte einen Plan: Die Vorgeschichte zwischen Jatta und Kuntz
Die Vorgeschichte zwischen Bakery Jatta und Steffen Baumgart ist bekannt – weil der HSV-Trainer sie vor ein paar Monaten gegenüber der MOPO preisgab. „Es ist richtig: Ich wollte Baka schon haben, als ich Trainer in Köln war“, hatte der HSV-Coach verraten, der nun seit ein paar Wochen einen neuen Boss hat: Stefan Kuntz. Und auch der Sportvorstand hat eine gemeinsame Vorgeschichte mit Jatta. Sie entstand im Zuge der unsäglichen Identitätsdebatte um den Publikumsliebling vor fünf Jahren.
Als im August 2019 ein für Empörung sorgender „Sport Bild“-Artikel erschien, der den Verdacht enthielt, Jatta hieße in Wahrheit Bakary Daffeh und sei nicht am 6. Juni 1998 geboren worden, sondern am 6. November 1995, war Kuntz noch Trainer der DFB-U21.
Und in dieser Funktion sagte der Ex-Profi am 3. September 2019 gegenüber Sport1: „Ich würde gerne versuchen, Bakery bei der Einbürgerung zu helfen, weil ich ihn gerne von der U21-Nationalmannschaft überzeugen möchte.“
Kuntz wollte Jatta von der U21-Nationalelf überzeugen
Dieses Vorhaben war in Kuntz’ Gedanken bereits gereift, bevor die aus seiner Sicht „etwas unsägliche Diskussion“ (O-Ton von damals) um Jattas Identität aufgekommen war. Tatsächlich hatte Kuntz schon im Frühjahr 2019 von Ex-HSV-Trainer Hannes Wolf den Hinweis erhalten, dass sich der 2015 nach Deutschland gekommene Jatta um eine Einbürgerung bemühen soll. „Und ich hatte schon das Gefühl, dass Bakery im 1998er-Jahrgang zu den Besten in Deutschland gehören könnte“, berichtete Kuntz seinerzeit. Und er behielt seine Pläne mit dem Gambier stets im Hinterkopf.
Im Sommer 2019 nahm Kuntz Kontakt zu Dieter Hecking, Wolfs Nachfolger beim HSV, sowie zu Ex-Sportvorstand Jonas Boldt auf, um seine Absichten mit Jatta erneut zu platzieren. Doch dann wies Boldt den Ex-U21-Trainer auf den erscheinenden „Sport Bild“-Artikel hin – und mit dessen Veröffentlichung waren Kuntz und der DFB gezwungen, die Füße still zu halten.
Die Debatte schlug hohe Wellen, mehrere Gegner legten Protest gegen die Wertung ihrer Spiele gegen den HSV ein, in denen Jatta zum Einsatz gekommen war. Der DFB wies die Einsprüche aber zurück – und Kuntz entwickelte als Privatperson ebenfalls eine deutliche Haltung zu dem unsäglichen Fall.
Kuntz kritisierte Identitätsdebatte um HSV-Profi Jatta
„Ich will es nicht Gerücht nennen, aber es ist eine nicht komplett auf Fakten basierende Geschichte“, sagte der heute 61-Jährige im September 2019. „Mir wäre es immer lieber, wenn man so etwas Existenzielles erst dann veröffentlicht, wenn mehr Fleisch am Knochen ist. Ich wünsche mir, dass es beendet ist.“ Was jedoch noch Jahre dauern sollte. Weil Jattas Einbürgerung ungeachtet der Identitätsebatte zu lange gedauert hätte, selbst in einem möglichen Schnellverfahren, rückte der DFB im Herbst 2019 von den U21-Plänen mit dem HSV-Profi ab.
Joti Chatzialexiou, der ehemalige Sportliche Leiter des DFB, sagte aber, Jatta könne sich selbst um eine Einbürgerung im normalen Verfahren bemühen, um sich später für die A-Nationalelf zu bewerben. Den deutschen Pass hält Jatta bis heute aber noch nicht in den Händen – obwohl er schon im Dezember 2022 gegenüber der MOPO angekündigt hatte: „Ich arbeite dran. Es ist ein ganz schön langer Weg, aber hoffentlich wird es eines Tages klappen.“
Jatta genießt nach unbefriedigender HSV-Saison Urlaub
Wenige Monate später, im März 2023, fand die scheinbar unendliche Geschichte rund um seine angezweifelte Identität final ein Ende. „Bakery Jatta ist unschuldig und hat Rechtssicherheit. Ende gut, alles gut“, sagte Anwalt Thomas Bliwier nach Jahren voller Anschuldigungen, voller Anklagen und Beschwerden. Wie Jatta und sein Verein den Fall gehandhabt haben, sorgt nachhaltig für Eindruck.
„Ich finde es beeindruckend, wie der HSV und der Spieler damit umgegangen sind, auch große Teile der Öffentlichkeit“, sagte Kuntz bereits im Herbst 2019 (und wiederholte dies auch bei seiner Vorstellung als neuer HSV-Boss im Mai 2024). Er wollte Jatta damals von der deutschen Nationalmannschaft begeistern. Den Flügelspieler vom HSV überzeugen muss der neue Sportvorstand jetzt, fünf Jahre später, hingegen nicht mehr.
Jatta, der Anfang des Jahres die Möglichkeit ausschlug, mit Gambia am Afrika-Cup teilzunehmen, besitzt beim HSV einen Vertrag bis 2029 und weilt vor dem Trainingsauftakt dieser Tage noch im Urlaub. Der gläubige Muslim nutzte die freie Zeit nach dem Ende der auch für ihn persönlich eher unbefriedigenden Saison (25 Startelf-Einsätze, fünf Tore, vier Vorlagen) für eine Reise nach Tansania und feierte mit Freunden kürzlich das Fastenbrechen im Zuge des Ramadans.
Aber auch trainiert hat Jatta während seines Urlaubs natürlich – er will Ex-Köln-Coach Baumgart in der kommenden Spielzeit schließlich wieder von seinen Qualitäten überzeugen.