Kein Bürgergeld für Ukrainer? Das macht nichts besser
Politiker von FDP und Union glauben, einen neuen Wahlkampfschlager entdeckt zu haben: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai oder Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) wollen neu ankommenden männlichen Flüchtlingen aus der Ukraine künftig kein Bürgergeld mehr bezahlen. Das klingt im ersten Moment nachvollziehbar – ist aber auf den zweiten Blick keine gute Idee.
Ukrainer genießen EU-weit einen besonderen Schutzstatus. Sie müssen wegen des russischen Angriffskriegs nicht durch ein Asylverfahren und erhalten als Unterstützung sofort Bürgergeld. Daran gibt es schon länger Kritik: Das senke die Anreize für hier lebende Ukrainer, Arbeit aufzunehmen. Und es erhöhe den Anreiz vor allem für junge Männer, nach Deutschland zu kommen, statt für ihr Land zu kämpfen.
Das Geld entscheidet? Eine alberne Vorstellung
Letzteres ist ein bemerkenswertes Argument in einem Land, das selbst in Friedenszeiten nicht genug Soldaten hat und in dem es im Ernstfall womöglich noch nicht einmal eine Mehrheit in der Bevölkerung für die Landesverteidigung gäbe. Und natürlich ist die Vorstellung ziemlich albern, dass junge Männer in Kiew oder Charkiw sagen, sie gehen jetzt doch lieber an die Front als nach Deutschland, weil sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 100 Euro weniger im Monat bekommen, als nach den Richtlinien des Bürgergelds. Und die meisten Frauen und Kinder kommen in Anbetracht des Krieges sicher nicht freiwillig nach Deutschland.
Die Arbeitsquote ist niedriger als anderswo
Ernster zu nehmen ist allerdings das Argument mit der Arbeitsaufnahme. Tatsächlich arbeiten momentan nur etwa 25 Prozent der hier lebenden Ukrainer. Das ist eine deutlich niedrigere Quote als in den Niederlanden oder osteuropäischen Ländern, die geringere Sozialleistungen gewähren.
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Die gute Nachricht: Die Quote der Arbeitsaufnahme bei Neuankömmlingen ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Die schlechte: Das deutsche System ist so gestrickt, dass Ukrainer als Asylbewerber erst einmal einen viel schlechteren Zugang zum Arbeitsmarkt hätten – das beginnt bei Sprachkursen, geht über die Anerkennung von Berufsabschlüssen und endet bei einem theoretischen dreimonatigem Arbeitsverbot für Asylbewerber, das sich aber auf Grund langsamer bürokratischer Mühlen in der Wirklichkeit auf mehr als ein Jahr ausdehnen kann.
Eine Umsetzung würde vieles schlechter machen
Streng genommen sind die Forderungen, den Ukrainern das Bürgergeld zu streichen, also ziemlicher Populismus. Damit kann man möglicherweise bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland einige Stimmen gewinnen – die Situation sowohl für die Flüchtlinge als auch für die deutsche Gesellschaft würde eine Umsetzung aber eher verschlechtern statt verbessern.