Vor Vuskovic‘ Augen: Ex-HSV-Profi bringt den Volkspark zum Kochen – auf beiden Seiten
Es liegen keine offiziellen Messungen vor. Aber das zweite EM-Spiel in Hamburg dürfte von der Dezibel-Zahl her zu den lautesten gehören, die es je im Volksparkstadion gegeben hat. Das war vor allem den zehntausenden Fans von Außenseiter Albanien zu verdanken, das gegen das befreundete und ebenfalls ohrenbetäubend unterstützte Kroatien eine begeisternde Partie ablieferte und den WM-Dritten vor den Augen von HSV-Profi Mario Vuskovic lange am Rand einer Niederlage hatte, kurz vor Schluss in Rückstand geriet, aber doch noch ein verdientes 2:2 (1:0) erreichte. Ein ehemaliger HSV wurde dabei zum Hauptdarsteller.
Man kann gut miteinander, das wurde schon weit vorm Anpfiff klar. Überall rund um die Arena und auch auf den Tribünen vermischten sich Fangruppen beider Nationen, fieberten dem Ereignis entgegen – und das hatte immense Bedeutung. Beide Teams hatten ihr Auftaktspiel verloren, doch während Albaniens knappe Niederlage gegen Italien wenig überraschend war, ging Kroatien nach dem 0:3 gegen Spanien schon schwer belastet in die Partie.
Laci bringt Albanien in Führung
So sah das dann auch auf dem grünen Rasen aus. Die Albaner nahmen die Nummer mit sichtbar breiter Brust an, hatten fünf starke Anfangsminuten. Und in der folgenden langen Ballbesitzphase der Kroaten wurde klar, dass gegen den schwarzen Abwehrbeton viel Esprit vonnöten sein würde. Den hatten Luka Modric und Co. aber nicht im Köcher.
Und falls Sie der Meinung sind, Sie hätten schon mal Menschen durchdrehen oder eskalieren hören und sehen nach einem Tor in einem Fußballmatch, dann waren sie noch nie bei einem Länderspiel Albaniens. Es lief sowohl die elfte Minute als auch Asani ungestört über die rechte Bahn, seine Flanke landete auf dem Kopf des blitzblanken Laci, der das Runde im Eckigen unterbrachte und den Volkspark zum Beben. Alles, was ganz in albanisches Rot-Schwarz gekleidet war, brüllte, hüpfte, sprang, dass es die wahre Freude war.
Vom Rückstand geschockt – Kroatien mit Problemen
Schockstarre hingegen bei Favoriten und seinem Anhang. Zwar zeigte Kroatien so eine Art „Och, nö“-Reaktion, von Wucht, Konzept oder Entschlossenheit aber war nichts zu erkennen. Der Underdog machte gegen den Ball mit einem 4-3-3 zwischen eigenem Sechzehner und Mittelkreis das Zentrum komplett dicht, agierte sehr diszipliniert, kompromisslos und lauerte auf Konter.
Die gab es durchaus. Wie in Minute 31, als wieder Asani beteiligt war, Bajrami den Ball in den freien Raum legte, doch Keeper Livakovic verhinderte in höchster Not den zweiten Einschlag. Und in der Nachspielzeit hatte Manaj nach Hysaj-Flanke das nächste dicke Ding, scheiterte aber ebenfalls an Livakovic. Mit dem 0:1 zur Pause war Kroatien noch prächtig bedient.
Nach Vorlage vom Ex-St. Paulianer Budimir: Kramaric gleicht aus
Mit frischem Personal und deutlich mehr Zielstrebigkeit ging die Dalic-Elf Durchgang zwei an. Susic hatte den ersten nennenswerten Abschluss (50.), Kovacic den nächsten (53.), dann köpfte Sutalo freistehend vorbei (58.). Albanien verlor unter dem Dauerdruck seine Linie, kam nahezu gar nicht mehr aus der eigenen Hälfte. Der Ausgleich lag in der Luft – aber er fiel nicht. Trotz sichtlich schwindender Kräfte befreiten sich die Albaner etwas aus der Umklammerung, hatten durch Asllani (64.) und Bajrami (67.) endlich wieder Abschlüsse. Doch dann bekam die Begegnung ihre Hamburg-Note. Und das sollte entscheidend werden.
Zwei Minuten später kam mit dem Ex-St. Paulianer Ante Budimir noch einmal ein frischer Neuner auf den Acker, Kroatien brauchte schließlich dringend mindestens einen Treffer, eigentlich sogar noch zwei. Und die Maßnahme fruchtete fix. Budimir kam im Strafraum an die Murmel, legte quer auf Kramaric, und der Hoffenheimer traf zum Ausgleich ins kurze Eck (74.).
Ex-HSVer Gjasula trifft auf beiden Seiten
Doch damit nicht genug. Bei Albanien war der Tank endgültig leer, Kroatien hingegen bekam die zweite Luft und schlug sofort wieder zu – und zwar in Person des in der 73. Minute bei Albanien eingewechselten Ex-HSVers Klaus Gjasula. Der konnte freilich nichts dafür, dass Kollege Djimsiti einen Susic-Schuss genau gegen seinen Körper abwehrte, von wo der Ball den Weg in die Maschen fand (76.). Bitter für Albanien, aufgrund der Verhältnisse seit Wiederbeginn aber verdient.
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Warum die Kroaten sofort danach jede Angriffsbemühungen einstellten, Albanien so wieder ins Leben zurückholten, bleibt rätselhaft. Livakovic kratzte einen Flachschuss von Hoxha gerade noch so aus dem Eck (90.), doch dann hatte dieses denkwürdige Spiel noch eine unfassbare Pointe. Hoxha steckte auf die linke Seite zu Mitaj durch, der von kurz vor der Grundlinie in den Rückraum ablegte. Leicht von Sutalo abgefälscht landete der Ball bei Gjasula, der unbedrängt aus rund elf Metern ins linke Eck netzte und sichtlich erleichtert vors MagentaTV-Mikro schritt.
„Ich bin die ersten 15 Minuten durch die Hölle gegangen“, sagte Gjasula. Dann sorgte er doch noch für einen bewegenden Moment in der albanischen EM-Geschichte: „Da brechen dann alle Emotionen aus“, kommentierte er sein Tor. „Am Ende mit ein bisschen Glück, kannst du sogar den Lucky Punch setzen.“ Der blieb aber aus.