30 Torbeteiligungen weg: Wie Blessin den Hartel-Abgang auffangen will
Von Lücke zu sprechen, wäre untertrieben. Es ist ein Loch, das der Abgang von Marcel Hartel in den Kader der Kiezkicker gerissen hat – insbesondere statistisch. An der Hälfte aller Tore, die der FC St. Pauli in der Aufstiegs-Saison erzielt hat, war der Mittelfeldmann beteiligt. Tore und Assists, die dringend kompensiert werden müssen. Wie es ist, wenn ein so einflussreicher, wertvoller und vermeintlich nicht zu ersetzender Spieler geht, weiß St. Paulis neuer Trainer nur zu gut. Vor allem aber weiß Alexander Blessin, dass es geht.
Der neue Coach lamentiert nicht, was logisch ist bei Amtsantritt, aber er redet die Sache auch nicht klein. „Wenn ein Hartel mit seinen 30 Torbeteiligungen wegbricht, dann ist das eine Hausnummer“, stellt Blessin klar. 17 Tore hatte der technisch versierte Mittelfeldmann in 33 Ligaspielen erzielt und dazu noch 13 Treffer vorbereitet. Hinzu kamen noch vier Tore und zwei Vorlagen in den vier DFB-Pokal-Partien.
Blessin: „Müssen den Abgang von Hartel kompensieren“
Hausnummer. Und nun Herausforderung. „Wir müssen natürlich den Abgang von Hartel kompensieren“, weiß Blessin, dem ebenfalls klar ist, dass dies nicht eins-zu-eins geschehen kann. „Das funktioniert durch mannschaftliche Geschlossenheit und zehn Prozent mehr von jedem Einzelnen. Gleichzeitig ist es eine Chance für andere Spieler, in den Fokus zu rücken.“
Zur Erinnerung: Vor der vergangenen Saison hatte St. Pauli seinen besten Scorer Lukas Daschner (neun Tore/sieben Assists) und seinen besten Vorlagengeber Leart Paqarada (elf Assists/drei Tore) verloren – und auf dem Papier nicht adäquat ersetzt. Dennoch wurde die Mannschaft besser, startete nicht nur Hartel voll durch, sondern auch andere Spieler machten den nächsten Schritt oder bauten ihre Anzahl an Treffern und Vorlagen gegenüber der Vorsaison aus wie Oladapo Afolayan, Johannes Eggestein oder auch Kapitän Jackson Irvine. Der Australier steigerte seine Assist-Anzahl in einem Jahr von drei auf neun.
Victor Boniface ging, Blessin kam – es folgte eine Topsaison
Vorteil St. Pauli: das Ganze ist auch für Blessin keine neue Situation. Er kennt das von seinem vorherigen Klub Royale Union Saint-Gilloise nur zu gut. Vor der vergangenen Saison, seiner ersten beim belgischen Erstligisten, hatte der Verein seinen Topstürmer Victor Boniface an Bayer Leverkusen verloren (aber dafür satte 22 Millionen Euro kassiert). Dennoch spielte der Klub eine überragende Saison, wurde Pokalsieger und verpasste den Meistertitel nur knapp. Weil Neu-Stürmer Mohamed Amoura voll einschlug und andere Angreifer ihre Torquoten deutlich verbesserten.
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Aber auch auf anderem Wege soll der Hartel-Abgang kompensiert werden, wobei festzuhalten ist, dass in der Bundesliga auch andere Qualitäten gefordert sein werden, die bei Hartel nicht besonders ausgeprägt waren, wie das robuste und zweikampfstarke Spiel gegen den Ball. In einem veränderten System werden auch andere Spielertypen im Mittelfeld gefordert sein. „Mit Sicherheit geht es dahingehend auch um eine gewisse Variabilität“, sagt Blessin. „Das sind alles Punkte, die wir zeitnah angehen wollen.“
St. Pauli braucht einen neuen Schützen für Standards
Gesucht und gebraucht wird auch ein neuer Standardschütze Nummer eins, eine Rolle, die Hartel innehatte und mit Bravour gespielt hat. Heißt: Einer der neuen Spieler muss ein feines Füßchen für Ecken und Freistöße mitbringen, denn Standards spielen im Konzept von Blessin eine wichtige, gar entscheidende Rolle.
Nicht vergessen werden darf dabei, dass St. Pauli mit Offensivspieler Danel Sinani bereits einen Kicker in den eigenen Reihen hat, der als Standardspezialist gilt. Es könnte sein, dass der luxemburgische Nationalspieler unter Blessin eine neue Chance und seine fraglos vorhandenen Qualitäten in einer veränderten Formation besser und häufiger ausspielen kann. Das hofft nicht nur Sinani selbst, sondern auch die sportliche Führung.
Kiezkicker müssen Hartels Kilometer ersetzen
Last but not least gilt es, Hartels Laufstärke und die Umfänge zu ersetzen, denn auch Blessins Fußball ist laufintensiv. Mit überragenden 414 Kilometern in 33 Spielen hat der vor allem offensiv ausgerichtete Hartel die weiteste Strecke aller Zweitligaspieler zurückgelegt (im Schnitt 12,6 Kilometer pro Spiel). Mit Neuzugang Robert Wagner (Leihgabe vom SC Freiburg) hat St. Pauli bereits einen laufstarken Spieler (12,11 für Greuther Fürth in der vergangenen Saison) für das defensive Mittelfeld verpflichtet.