„Bin keiner, der komplett reinhaut“: Was Blessin in St. Paulis Trainingslager plant
Das 3:1 im Test gegen Viertliga-Klub Bremer SV ließ aus St. Paulianer Sicht einige Wünsche offen. Trainer Alexander Blessin formulierte im Anschluss deutlich, woran nun beim zehntätigen Trainingslager im österreichischen Scheffau gearbeitet werden muss.
„Es war ein runder Wochenabschluss mit Informationen, mit denen wir arbeiten können. Wir flippen nicht aus, sind jetzt aber auch nicht in einer Depression“, fasste der Coach die Erkenntnisse aus 90 mühsamen Minuten in Malente zusammen. Wer sich vom Bahnhof der ostholsteinischen Gemeinde zum Uwe-Seeler-Sportpark aufmachte, passierte nicht nur Kanu-Einsetzstellen in den Dieksee oder ein „Cosmetic-Institut“, sondern auch Landhäuser mit lateinischer Giebelinschrift. Etwa „Ars longa, vita brevis“, das Hippokrates zugeschrieben wird, dem Ur-Doktor der alten Griechen: Lang ist die Kunst und kurz nur das Leben.
St. Paulis Angriffen fehlte oft das Tempo
Knapp 2500 Jahre später liegt es am FC St. Pauli und seinem neuen Trainer zu zeigen, dass die Vorbereitungszeit nicht zu kurz ist, um länger in der Bundesliga zu bleiben als nur ein Jahr. Die Kunst Klassenerhalt ist das Ziel, und dabei ist keine Zeit zu verlieren. „Wir werden in den nächsten zwei Wochen darüber reden, wie wir Situationen schneller ausspielen können“, kündigte Blessin an. Denn die braun-weiße Offensive machte es den Bremern vor 1200 Fans, vielen Einheimischen und fünf Pferden auf der angrenzenden Weide oft zu einfach.
Blessin will schnelle Bälle statt lange Bälle
„Wir hatten Phasen, in denen wir uns mit ein bisschen mehr Ballbesitz einfach schlecht angestellt haben“, erklärte Blessin: „Mit langen diagonalen Bällen vor die Kette, mit denen wir eigentlich gar keinen Raumgewinn hatten. Es war dann leicht für die Bremer, solche Bälle zu verteidigen.“ Eine Hausaufgabe für die anderthalb Wochen in Scheffau lautet entsprechend: „Wir müssen lernen, wie wir den Ball schneller zehn, 15 Meter flach transportieren.“
„Wir müssen Mut haben, nach vorne zu verteidigen“
Blessin wechselte zur Pause in Malente nahezu komplett durch, sodass zwei verschiedene Mannschaften jeweils 45 Minuten Zeit hatten, sich zu beweisen. Beide St. Pauli-Teams spielten im 3-4-3-System, wobei der 51-Jährige mit den Abständen nicht immer zufrieden war. „Mir hat ein bisschen der Zwischenraum zwischen der letzten Linie und den Sechsern gefehlt“, merkte der Coach an und bemängelte: „Wir haben oft keine Option für die Breite gehabt, weil sich die Sechser zu sehr fallen gelassen haben.“
Das sollte sich bis zum Bundesliga-Start gegen Heidenheim am 25. August ändern, denn nur mit einer entsprechenden Kompaktheit der Mannschaftsteile wird es gelingen, in der neuen Spielklasse gegen stärkere Gegner zu vielversprechenden (Gegen-)Angriffen zu kommen. „Für mich ist es jetzt erst mal wichtig, dass wir Mut haben“, betonte Blessin: „Mut haben, nach vorne zu verteidigen.“
Das Positive aus dem „Fehlerspiel“ gegen Bremen
Erst eine Trainingswoche liegt hinter den Braun-Weißen, mit acht Einheiten war sie besonders intensiv. „Daher war klar, dass es ein Fehlerspiel wird, in dem man dann vielleicht nicht so penibel genau im Nachfassen ist“, relativiert Blessin die Eindrücke aus dem Bremen-Test – und kam auch aufs Positive zu sprechen: „Wir hatten ein paar gute Momente, in denen wir stark im Gegenpressing waren und ein paar gute Ballgewinne hatten. Und wir hatten ein paar Torchancen durch sehr schnelle Spielverlagerung. Das fand ich schon ganz gut, das nehmen wir auch mit.“
Mit nach Österreich, wo die Mannschaft sich nach der Ankunft am Montag erst einmal akklimatisiert, ehe die zweimal 45 Minuten gegen den Bremer SV noch einmal aufbereitet werden. „Am Dienstag werden wir die beiden Hälften genauer ansprechen“, sagte Blessin: „Die guten Punkte und die verbesserungswürdigen Punkte.“
Anzusprechen gibt es genug. Wobei der Trainer klarmachte, dass pädagogische Milde sein Mittel sein wird: „Nach einer anstrengenden Trainingswoche bin ich keiner, der dann komplett reinhaut.“ Zumal mit Kapitän Jackson Irvine und Defensiv-Dirigent Eric Smith zwei Stützpfeiler in der braun-weißen Architektur gegen Bremen nach Blessuren ärztlichen Beistand benötigten. Denn wenn alle Wehwehchen, körperlich oder spieltaktisch, nach einer Woche unter dem neuen Coach bereits verschwunden wären, dann wäre Alexander Blessin selbst im Vergleich mit Hippokrates ein Wunderheiler.
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St. Paulis Aufstellung gegen den Bremer SV: Voll – Dźwigała (46. Nemeth), Wahl (46. Smith, 56. Schmitz), Mets (46. Dahaba) – Schmitz (46. Günther), Irvine (8. Wagner), Boukhalfa (46. Metcalfe), Ahlstrand (46. Ritzka) – Banks (46. Sinani), Eggestein (46. Albers), Saad (46. Afolayan)