Diese Oma zeigt der AfD die rote Karte
Als Rentnerin einfach die Füße hochlegen und der Dinge harren, die da kommen? Für Frauke Stolley kommt das nicht in Frage. Sie ist eine von rund 300 „Omas“, die sich in Hamburg als „Omas gegen Rechts“ für Demokratie und soziale Gerechtigkeit engagieren. Mit der MOPO hat die 72-Jährige über ihre Motivation gesprochen.
Kurze weiße Haare, eine blaue Brille und wache Augen: Ganz ruhig sitzt Frauke Stolley in einem Café und trinkt ihren Latte Macchiato. Doch der Schein trügt. Immer wieder macht die Rentnerin in Hamburg Stimmung: Demonstriert für Demokratie, Humanität und soziale Gerechtigkeit. Denn obwohl die 72-Jährige keine Großmutter ist, ist sie trotzdem eine „Oma“: Eine Oma gegen Rechts.
Omas gegen Rechts in Hamburg: Für Demokratie und Humanität
Der Zusammenschluss von politisch engagierten, älteren Frauen gründete sich 2017 in Wien, 2018 entstanden die ersten Gruppen in Deutschland. Seitdem setzen sich die „Omas“ (und einige „Opas“) dafür ein, die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht zu vergessen – und einen erneuten Rechtsruck der Gesellschaft zu verhindern. Dafür putzen sie zum Beispiel Stolpersteine, laufen linksherum um die Alster (eben gegen rechts) oder sammeln Spendengelder für Mittelmeer-Rettungsinseln für Geflüchtete. „Hamburg ist eine große, reiche Stadt mit genug Platz“, sagt Stolley zur MOPO. „Und unsere Gesellschaft altert. Wenn neue junge Menschen kommen, können sie doch hier leben, hier arbeiten und ihr Wissen einbringen.“
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Stolley selbst kam 2020 zu den „Omas“ – damals organisierte die Gruppe eine Menschenkette rund ums Rathaus, ein „kraftvoller“ Moment, wie Stolley schildert. „Ich war sofort angefixt und wusste, dass ich hier richtig bin.“ Besonders gut gefällt der ehemaligen Physiotherapeutin, die 47 Jahre lang eine eigene Praxis in Eimsbüttel hatte, dass alle Mitglieder gleichberechtigt sind und jede „Oma“ Aktionen organisieren kann – und, dass die Frauen eine Gemeinschaft bilden. Nach dem Demonstrieren wird häufig noch gemeinsam Kaffee getrunken und geplaudert.
Ewige Energie fürs Kämpfen: Stolley: „Ich muss einfach aktiv sein“
Dabei kommen ganz unterschiedliche Frauen zusammen. Einige hatten bisher noch überhaupt nicht protestiert, einige sich auch gar nicht getraut. Das war bei Stolley nicht so. Sie war schon immer ein „Freigeist“ sagt sie, kämpfte ihr Leben lang für ihre politischen Überzeugungen: Protestierte in den 70ern gegen Atomkraft in Gorleben und Brokdorf – und wurde dabei sogar von der Polizei eingekesselt. Ein Moment, in dem Stolley richtig Angst hatte, erzählt sie. Und auch als Rentnerin geriet Stolley schon bei einer Gegendemo gegen Querdenker mit der Polizei aneinander: „Die Polizei misst mit zweierlei Maß“, ärgert sich Stolley. „Corona-Leugner können ohne Masken protestieren und wir anderen – darunter wir Omas – werden mit Wasserwerfern attackiert.“
Woher ihre Energie fürs ewige Kämpfen kommt? „Mir ist es wichtig, dass Menschen gerecht und auf Augenhöhe leben können“, sagt sie. „Wenn ich all die Nachrichten höre und nichts tun würde, würde ich durchdrehen. Ich muss einfach aktiv sein.“ Vielleicht liegt es aber auch an ihrer Erziehung: Erzählungen zufolge haben ihre Großeltern verfolgte Juden im Dritten Reich in ihrer Kneipe in der Dorotheenstraße (Winterhude) versteckt. Auch ihre Mutter war ein politischer Mensch. „Sie sagte immer: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“, sagt Stolley. „Das ist ein hoher Anspruch, der auch für mich wie ein Motor ist.“
Omas gegen Rechts: Nächste Aktion am Mittwoch, 16. Juni
Und derzeit richtet die 72-Jährige ihre Energie gegen die AfD: Seit April veranstaltet sie gemeinsam mit ihren „Oma“-Kolleginnen einmal im Monat Flashmobs, um zu verhindern, dass die AfD bei der Bundestagswahl im September viele Stimmen bekommt. „Die AfD lullt Menschen mit guten Rednern ein“, sagt Stolley. „Sie grenzen aber viele Menschen aus und haben eine arrogante, abweisende Flüchtlingspolitik.“
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Bei vergangenen Flashmobs verlasen die „Omas“ die Namen von Opfern von rechter Gewalt, um an sie zu erinnern. Die nächste Aktion findet am Mittwoch, den 16. Juni statt: Um 17 Uhr lesen die Frauen am Harburger Rathaus „Grusel-Zitate“ der AfD vor – unter anderem aus dem rechten Flügel um Björn Höcke. Anschließend treten sie die Zitate im wahrsten Sinne in eine Mülltonne. „Natürlich können wir nicht jeden erreichen“, so Stolley. „Aber viele Menschen reagieren positiv auf uns, klatschen oder steigen von ihren Fahrrädern ab und hören zu – und jede Stimme zählt.“ Ob sie die nächsten Jahre noch weiter mit den „Omas“ kämpft? „Jawoll“, sagt sie und lacht.