Alexander Zverev beschwert sich bei ATP Supervisor Hans Jürgen Ochs
  • Alexander Zverev diskutiert völlig aufgelöst und fassungslos mit ATP Supervisor Hans Jürgen Ochs.
  • Foto: WITTERS

„Ich werde nicht weiterspielen“: Zverev sorgt für hitzige Szenen am Rothenbaum

Alexander Zverev steht im Viertelfinale seines Heim-Turniers am Hamburger Rothenbaum. So weit, so gut. Das aber war nicht die große Nachricht nach dem 4:6, 6:2, 7:5 gegen den französischen Außenseiter Hugo Gaston – nach zwei Stunden und 37 Minuten, „die dieses Stadion niemals vergessen wird“, wie Stadionsprecher Matthias Killing anschließend meinte.

Es war die bislang hitzigste Szene des Turniers, ein riesiger Aufreger. Die Rede ist von dem Ball, der Gaston den Punkt zum Gewinn des ersten Satzes bescherte. Der Ball war nach einer artistisch über Kopf geschlagenen Rückhand von Zverev allem Anschein nach ein zweites Mal aufgekommen, bevor der Weltranglisten-81. ihn wieder auf die Seite des Hamburgers spielte. Die britische Stuhl-Schiedsrichterin Alison Hughes aber hatte nicht erkannt, was eine Super-Zeitlupe im TV offenlegte. Und Gaston? Der tat so, als habe er das nicht mitbekommen und nahm den Gewinn des Satzes dankbar entgegen.

Zverev fordert Gespräch mit ATP-Supervisor

Zverev war fassungslos, konfrontierte Gaston, vor allem aber Schiedsrichterin Hughes lautstark, diskutierte minutenlang mit ihr, warf seinen Schläger. Die Ober-Schiedsrichterin kam auf den Platz, konnte Zverev aber nicht zur Räson bringen. Er wollte nur noch mit ATP-Supervisor Hans Jürgen Ochs sprechen. Zeitweise wirkte es, als würde Zverev aus dem Turnier aussteigen wollen. „Ich werde nicht weiterspielen. Keine Chance“, rief der 27-Jährige. Es waren wilde Szenen auf dem gut gefüllten Center Court.

Sechs Minuten dauerte das Schauspiel an, dann hatte sich Zverev auch nach dem Gespräch mit Supervisor Ochs zwar nicht beruhigt, aber letztlich doch dazu entschieden, das Match fortzusetzen. Die Tatsachen-Entscheidung blieb bestehen. Ein gellendes Pfeifkonzert für den aufschlagenden Gaston war die Folge.

Zverev gerät schon zuvor mit Schiedsrichterin aneinander

Zverevs Ausbruch kam nicht aus dem Nichts. Schon kurz zuvor war er mit der britischen Schiedsrichterin aneinandergeraten, als Hughes ihn verwarnte, weil er bei der Vorbereitung des Aufschlags die „Shot Clock“ missachtet hatte, die festlegt, dass die Spieler nur 25 Sekunden Zeit haben. Zudem war ihm das Spiel seines Gegners, der ihn ständig mit Stopp-Bällen nervte und mehrfach nicht rechtzeitig bereit war, als Zverev aufschlagen wollte, ein Dorn im Auge.

Der große Aufreger aber schien letztlich auch eine Art Weckruf für den zuvor fehlerhaft spielenden Weltranglistenvierten, der in der ersten Runde noch ganz locker gegen den Niederländer Jesper de Jong gewonnen hatte, gewesen zu sein. Im zweiten Satz ließ Zverev Gaston keine Chance. Mit Wut im Bauch lief es für den Titelverteidiger sportlich besser.

Hughes spricht Zverev zweite Verwarnung aus

Die Zeit der Aufreger aber sollte noch nicht vorbei sein. Beim Stand von 2:0 im dritten Satz sah Zverev einen Ball Gastons im Aus, Hughes aber sah es einmal mehr anders. Zverev fühlte sich erneut betrogen, ging auf seinen Vater, der in der ersten Reihe saß, zu, fragte: „Was soll ich machen?“ „Ruhig bleiben“, lautete die weise Antwort des 64-Jährigen.

Das aber blieb schwierig. Erst zimmerte Zverev direkt im nächsten Aufschlagspiel einen Schmetterball auf seinen nur 1,73 Meter großen Kontrahenten. Bevor der sich aufregen konnte, hob der Hamburger schnell die Hand zur Entschuldigung. Zur nächsten Eskalation aber kam es durch die Szene dennoch. Denn unmittelbar darauf bekam Zverev zum zweiten Mal eine Verwarnung, weil er die Zeit bei seinem Aufschlag überschritten hatte. Hughes war es offensichtlich egal, dass die Verzögerung durch Zverevs Entschuldigung erst zustande kam.

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Weil der Olympiasieger von Tokio aber nicht mehr das geringste Interesse hatte, mit Hughes zu diskutieren, ging er direkt zu Supervisor Ochs, der sich inzwischen fest in der ersten Reihe positioniert hatte. Sicher ist sicher. Welche Worte diesmal zwischen den beiden fielen, war nicht zu hören. Kurz darauf aber machte Zverev weiter in einem Match, das er letztlich erst mit seinem dritten Break im dritten Satz zum 6:5 entscheidend auf seine Seite ziehen konnte. Zuvor hatte Gaston dem großen Favoriten auch zweimal den Aufschlag abgenommen. Nach 2:37 Stunden verwandelte Zverev seinen ersten Matchball. Der Rothenbaum kochte über. Der Superstar des Turniers hatte das schon knapp zwei Stunden zuvor getan. Immerhin gab er sowohl Gaston (sehr ausgiebig) als auch Hughes zum Abschluss die Hand. Das kam überraschend.

„Ich war kurz davor, komplett meine Nerven zu verlieren“

Was er sagen wolle, fragte Stadionsprecher Killing den Top-Star noch auf dem Platz ganz vorsichtig. „Was ich sagen will?“, fragte Zverev zurück. „Am liebsten nichts.“ Er tat es dann aber doch. „Es war eine unglaubliche Atmosphäre. Danke dafür. Das hat mich weitergebracht in diesem Match“, sagte er. „Ich war ein-, zweimal kurz davor, meine Nerven komplett zu verlieren. Ihr habt mich davon abgehalten. Danke dafür.“

Und dann erklärte Zverev noch, warum er sich wie schon im ersten Match kein einziges Mal zwischen den Ballwechseln hinsetzte. „Wenn ich mich hinsetze, stehe ich nicht mehr auf. Diese Woche werde ich mich nicht mehr hinsetzen“, erklärte der am linken Knie verletzte French-Open-Finalist, der sich in Wimbledon eine kleine Fraktur, ein Knochenödem und eine Kapselzerrung zugezogen hatte. Im Viertelfinale am Freitag (nicht vor 18.30 Uhr) trifft Zverev auf den chinesischen Publikumsliebling Zhizhen Zhang. „Ich stehe jetzt im Viertelfinale. Hoffentlich kann ich noch dreimal spielen in diesem Jahr“, sagte er. Wenn es dabei etwas ruhiger zugehen sollte als an diesem unvergesslichen Donnerstagabend, dürfte ihm das wohl sehr recht sein.

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