Alexander Zverev diskutiert emotional mit ATP Supervisor Hans Jürgen Ochs
  • Alexander Zverev (r.) diskutierte minutenlang mit ATP Supervisor Hans Jürgen Ochs, der die Tatsachen-Entscheidung der Stuhl-Schiedsrichterin aber gar nicht hätte ändern können, da Alison Hughes nicht aus Unkenntnis einer Regel so entschieden hatte.
  • Foto: WITTERS

Nach Riesen-Aufregung am Rothenbaum: Was Zverev jetzt fordert

Es waren Szenen, die es am altehrwürdigen Hamburger Rothenbaum so in der Form ganz selten gegeben haben dürfte. Szenen, die an legendäre Ausraster der Tennis-Bad-Boys John McEnroe (65) und Goran Ivanisevic (52) erinnerten. In seinem Achtelfinal-Match gegen den französischen Außenseiter Hugo Gaston (23) verlor Alexander Zverev komplett die Fassung. Nach einer Fehlentscheidung der Schiedsrichterin schien es, als würde der Hamburger aus seinem Heim-Turnier aussteigen wollen, bevor er seine Nerven schließlich in den Griff bekam und nach 2:37 Stunden mit 4:6, 6:2, 7:5 gewann.

Der Matchball lag gut 50 Minuten zurück, als die MOPO Zverev auf der Pressekonferenz fragte, wie nah er denn tatsächlich dran gewesen sei, alles – und nicht nur den Schläger – hinzuwerfen und zu sagen: „Das war’s. Ich steig‘ aus.“ Zverev, inzwischen frisch geduscht, lächelte leicht. Das Gesicht, in dem auf dem Court noch die Zornesröte dominiert hatte, hatte sich wieder entspannt. „Ach so, nein, gar nicht“, sagte der 27-Jährige, der erst Stuhl-Schiedsrichterin Alison Hughes und dann der herbeigeeilten Ober-Schiedsrichterin Anne Lasserre lautstark klargemacht hatte: „Ich werde nicht weiterspielen. Keine Chance.“ Seine Forderung: ein Gespräch mit ATP-Supervisor Hans Jürgen Ochs, mit dem Zverev noch minutenlang über die Szene des Spiels emotional diskutierte.

Fehlentscheidung kostet Zverev den ersten Satz

Bei Satzball gegen sich war der Ball nach einem Rückhandschlag Zverevs zweimal auf der Seite des Gegners aufgekommen, bevor Gaston ihn wieder übers Netz bugsierte. Hughes aber hatte nicht erkannt, was die Super-Zeitlupe im TV belegte, gab dem Franzosen den Punkt und damit den Satz. Zverev war fassungslos.

„Die Schiedsrichterentscheidungen in diesem Jahr, die sind schon in sehr wichtigen Momenten gegen mich gelaufen“, erinnerte er in seiner Antwort auf die MOPO-Frage am späten Donnerstagabend an die Fehlentscheidung im fünften Satz des verlorenen French-Open-Finals gegen den Spanier Carlos Alcaraz, bevor er zurückkam zu dem, was sich auf dem Hamburger Sand zugetragen hatte. Und Zverev, der mehrfach mit Hughes heftig aneinandergeraten war, ließ nun Milde walten, als er die Leistung der britischen Stuhl-Schiedsrichterin bewertete.

Zverev über Hughes: „Es war einfach nicht ihr Tag“

„Sie ist auch nur ein Mensch“, sagte Zverev. „Hat sie heute eine Fehlentscheidung gemacht?“, fragte er sich selbst und antwortete direkt: „Ja. Das war nicht ihr bester Tag. Aber nein, sie ist eine sehr gute Schiedsrichterin. Ich kenne sie, sie ist schon sehr, sehr lange auf der Tour“, führte der Weltranglistenvierte über die Frau aus Newcastle aus, die schon 2003 ihr Wimbledon-Debüt bei den Profis gegeben hatte. „Sie hat schon viele sehr, sehr gute Matches geleitet und heute war es einfach nicht ihr Tag.“

Zverev aber war es nicht in erster Linie daran gelegen, über Hughes zu urteilen. Zu einer solchen Situation dürfe es einfach gar nicht kommen, weil man sie mit technischen Hilfsmitteln verhindern könne, sagte der Weltranglistenvierte und forderte die Einführung des Videobeweises. „Wir müssen so etwas vermeiden. Wir haben die Technologie des Video-Reviews schon mal beim United Cup in Melbourne getestet. Alle Spieler haben es geliebt. Warum wir es auf der Tour nicht benutzen, versteht niemand, weiß niemand und kann niemand so richtig beantworten“, sagte er und führte weiter aus: „Menschen machen Fehler, Technologie nicht. Das ist einfach so.“

Zverev fordert Einführung des Videobeweises

Ab dem kommenden Jahr wird es auf der ATP-Tour schon mehr Technologie im Einsatz geben. Bei allen Turnieren – abgesehen von den Grand Slams – ist dann das „Electronic Line Calling“-System vorgeschrieben, das Linienrichter überflüssig macht, weil die Technologie erkennt, ob ein Ball im Aus gewesen ist oder nicht. Der Videobeweis aber, er wird noch nicht kommen. Und Zverev, der als einer von neun aktiven Tennis-Profis im Spielerbeirat der ATP sitzt, kennt auch den Grund. „Das Problem, das wir da haben, ist das Fernsehen“, sagt er. Den TV-Anstalten würden die Pausen zwischen den Ballwechseln zu lange dauern, wenn der Videobeweis käme. Zverev schüttelt mit dem Kopf. „Im Fußball gibt es auch den VAR. Da dauert es noch länger als im Tennis“, sagt er und schließt mit den Worten: „Wenn es um solche Entscheidungen geht, dann sollten wir es nutzen können.“

Bei all der Aufregung um die Fehlentscheidung der Schiedsrichterin war derweil fast völlig in Vergessenheit geraten, wie es eigentlich dem Knie des angeschlagenen Olympiasiegers von Tokio so kurz vor den Olympischen Spielen von Paris geht. In Hamburg tritt Zverev mit einer Bandage um das linke Knie an, nachdem er sich in Wimbledon eine kleine Fraktur, ein Knochenödem und eine Kapselzerrung zugezogen hatte. Bei den Seitenwechseln setzte er sich am Rothenbaum in beiden Matches, die er bisher spielte, kein einziges Mal hin. Und das werde er auch weiterhin nicht tun, kündigte Zverev an, „weil ich sonst nicht mehr aufstehen könnte.“ Nach dem harten Match gegen Gaston aber fühle sich das Knie insgesamt „gut an. Es hat auch die zweieinhalb Stunden gehalten“, sagte Zverev. „Ich fand auch, dass ich mich gut bewegt habe.“ Die größte Frage aber sei bei solchen Verletzungen immer: „Wie fühlt es sich denn ein paar Stunden später am Abend an und wie fühlt es sich dann am nächsten Morgen an?“

Zverev trifft im Viertelfinale auf Zhizhen Zhang

Aktuell aber scheint es kaum einen Zweifel zu geben, dass Zverev an diesem Freitagabend (nicht vor 18.30 Uhr) zu seinem Viertelfinale gegen Zhizhen Zhang antreten wird. Der könnte mit einem Sieg über Zverev der erste Chinese werden, der in die Top 30 der Weltrangliste vordringt, was es aus Sicht des Lokalmatadoren zu verhindern gilt.

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Zverev setzt dabei auch auf die Unterstützung der Zuschauer. „Ich hoffe, dass es noch voller wird und dass es noch energischer wird. Ich liebe es ja in Deutschland zu spielen und wenn das Publikum hinter einem steht, dann hilft das natürlich auch“, sagte Zverev für den es das erste Kräftemessen mit seinem Kontrahenten werden wird. „Zhang ist ein sehr, sehr guter Spieler. Er ist sehr, sehr aggressiv und hat unfassbar viel Power. Das wird ein komplett anderes Match werden.“ Viel emotionaler als gegen Gaston aber dürfte es nicht werden. Denn das scheint unmöglich.

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