Beliebter „Chaot“ mit Bodenhaftung: Die Geschichte von HSV-Juwel Baldé
Schon am Freitagabend hatte Fabio Baldé ein großes Lächeln aufgesetzt, als er vorm Teamhotel „Das Bramberg“ Softeis an die HSV-Fans verteilte. Tags darauf, an seinem 19. Geburtstag, war sein Grinsen aber noch größer – denn er hatte beim 4:2 gegen den FC Nantes sein erstes Tor für die HSV-Profis erzielt. Und was für eins. Baldé wurde Anfang des Jahres schon von Tim Walter gelobt und lebt spätestens jetzt seinen Traum, hatte in seinem Leben aber auch schon schwierige Phasen durchzustehen. Nach einem Rassismus-Vorfall etwa wurde er von den HSV-Anhängern unterstützt, die ihn nun feiern. Seine Geschichte ist besonders.
Die sportliche im Volkspark nahm im März 2023 so richtig Fahrt auf. Denn vor 16 Monaten durfte Baldé, der im Sommer 2020 vom SC Vorwärts-Wacker Billstedt in den HSV-Nachwuchs gewechselt war, erstmals bei den von Tim Walter trainierten Profis mitüben. Baldé war damals noch 17 Jahre alt – und 18, als der Ex-Trainer ihn Anfang dieses Jahres mit ins Trainingscamp nach Spanien nahm. Und zu Baldés erstem öffentlichen Auftritt wurde in Sotogrande ein YouTube-Video des HSV – gemeinsam mit Omar Megeed (18), einem der besten Freunde des Flügelspielers.
Megeed über HSV-Kumpel Baldé: „Fabio ist ein Chaot“
„Fabio ist ein Chaot“, sagte Megeed in dem Format „Zimmerduell“ bei einer Frage nach den Trainer-Fähigkeiten seines jungen Teamkollegen und lachte. Er und Baldé wohnen in Hamburg dicht beieinander, in den Wintermonaten sammelte Megeed seinen Kumpel regelmäßig zu Hause ein, ehe sie gemeinsam zum HSV-Training fuhren. Das Duo reifte im Volkspark fußballerisch im Parallelschritt – und verbringt auch abseits des Spielfeldes viel Zeit zusammen.
Der in Hamburg geborene Baldé wuchs während seiner Kindheit zwischenzeitlich vier Jahre lang in Portugal, dem Heimatland seiner Mutter, auf, ehe er in die Hansestadt zurückkehrte. Sein Vater stammt aus dem westafrikanischen Land Guinea-Bissau. Der Youngster ist Fan von US-amerikanischem, französischem und deutschem Rap, zockt gerne das Fußball-Videospiel EA FC. Er ist gläubiger Muslim – und hat zudem eine Vorliebe für guten Stil, wie ein Blick auf sein Instagram-Profil zeigt. Dort teilte er mit seinen 10.900 Followern erst kürzlich ein Fotoshooting.
Bevor er im Profi-Training Fuß fasste, ploppte im vergangenen Herbst eine hässliche Gesichte auf: Bei einem Testkick der HSV-U19 gegen Arminia Bielefeld (1:4) soll Baldé rassistisch beleidigt worden sein. Es gab Beschuldigungen gegenüber zwei Talenten des Gegners – und im Volksparkstadion, während der Vorfall verschiedene Versionen hervorbrachte, Solidaritätsbekundungen durch die HSV-Fans. „Kein Fußball mit Rassisten“, stand während eines Zweitliga-Heimspiels auf einem Banner auf der Nordtribüne. „Fabio, wir stehen hinter dir.“
Rassismus: HSV-Fans zeigen Solidarität mit Fabio Baldé
Anders als Kumpel Megeed ist der vier Wochen ältere Baldé noch ohne Profi-Einsatz im Volkspark – dabei hatte Walter ihn schon im Winter explizit gelobt. „Fabio hat mich im Training überzeugt, dann bekommt er auch die Einsatzzeit“, sagte der Ex-HSV-Trainer, der von den nach Spanien mitgereisten Talenten nur Baldé in beiden Tests hatte spielen lassen, im Januar dieses Jahres. „Fabio bringt einfach eine physische Voraussetzung mit, da können sich die anderen Jungs noch etwas von abschauen.“ Sogar Klubs aus dem Ausland sollen Interesse gezeigt haben.
Offiziell war Baldé in der vergangenen Spielzeit noch Teil des U19-Kaders und sogar Mannschaftskapitän, kam in der A-Junioren Bundesliga Nord/Nordost aber nur auf sieben Einsätze, zwei Tore und fünf Vorlagen – weil er teils schon im Vorjahr und ab Anfang 2024 dann regelmäßig für die U21 auflief. Parallel zur wiederkehrenden Teilnahme am Profi-Training brachte es der Außenbahnspieler in der Vorsaison bereits auf 19 Regionalliga-Einsätze – und ist ab der kommenden Spielzeit nun fest für die von Loic Favé trainierte HSV-U21 vorgesehen. Dass er auch in der Lage ist, Profi-Verteidiger schwindelig zu spielen, beweist er in Österreich jedoch – siehe Traum-Solo gegen Nantes.
Baldé ist kein Lautsprecher – selbstbewusst auf dem Platz
„Dass ich ein Tor mache, passt perfekt zu meinem Geburtstag. Ich bin überglücklich. Es war immer mein Traum – und jetzt habe ich mein erstes Profi-Tor erzielt“, frohlockte Baldé hinterher – hob aber nicht ab, sondern sagte auch: „Jetzt heißt es: weiter Gast geben – und hoffentlich mehr Tore.“ Baldé macht innerhalb der Hamburger Reisegruppe dieser Tage einen sehr fokussierten Eindruck, denn er weiß um seine Chance, agiert auf dem Platz deshalb sehr selbstbewusst – tritt im Kreise der Profis allerdings nicht als Lautsprecher auf. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Baldé nach zwei guten Testspielen die Bodenhaftung verliert. Und das verschafft ihm mannschaftsintern Eindruck.
„Ich freue mich extrem für Fabio“, sagte Miro Muheim am Samstag, nach dem 4:2 gegen Nantes. Baldés Tor sei „natürlich überragend“ gewesen, „an seinem Geburtstag auch noch“. Muheim hob aber noch etwas anderes hervor: „Fabio arbeitet unglaublich gut und hat mir heute auch nach hinten sehr geholfen.“ Der Schweizer ist, wenn er über die Eigengewächse spricht, deswegen sicher: „Der eine oder andere wird sicher seine Chance kriegen.“ Auch Baldé?
„Alles vergeht“: Leão ist eines der Vorbilder von Baldé
Der Rechtsfuß traut es sich jedenfalls zu. „First of many“, hatte er nach dem 5:1 gegen Drochtersen/Assel auf Instagram geschrieben, zu einem gemeinsamen Bild mit Torschütze Adam Karabec, dem er den Treffer auflegte. Baldé will künftig also noch mehr Scorerpunkte bei den Profis sammeln. Dafür lebt er professionell, entspannte in Bramberg kürzlich mit Nicolas Oliveira und Bakery Jatta in der Eistonne. Und er lebt nach einem Motto: „Tudo passa.“ Diese italienische Redewendung, zu Deutsch „Alles vergeht“, hat sich eines von Baldés Vorbildern in den Nackenbereich tätowieren lassen: Rafael Leão, unter Vertrag bei AC Mailand – und einer von Portugals EM-Stars.
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Baldé weiß, dass es keine Zeit zu verlieren gilt, hat auf dem Feld Spaß, verliert diesen aber auch abseits des Fußballs nicht. Er gilt als Frohnatur und offen, tritt nur neben den älteren Profi-Mitspielern derzeit einen Schritt zurück und wirkt zurückhaltender, schüchterner. Sein Lächeln steckt aber alle an. Und seine Dribblings begeistern die HSV-Fans.