Neuer Lautsprecher, bald ein neuer Trainer: Das ist anders in Baumgarts HSV-Team
Am Dienstagabend wurde Merlin Polzin angebrüllt. Beim Verlassen des Trainingsgeländes in Bramberg wollte ein kleiner Junge nicht nur ein Autogramm von Daniel Heuer Fernandes haben, sondern auch vom Co-Trainer, der schon abfahrbereit war, sich aber noch mal umdrehte: „Na, wenn du so laut schreist“, sagte Polzin und erfüllte den Wunsch. Vor Steffen Baumgarts Ankunft beim HSV im Februar war der 33-Jährige noch Ein-Spiel-Chefcoach, wiederum davor so etwas wie der Lautsprecher von Tim Walter. Anders als im Vorjahr in Österreich ist nun aber ein anderer Assistent meist noch lautstärker zu hören. Und bald ist noch ein neuer Trainer da.
Am Dienstagvormittag, ein paar Stunden, bevor Polzin auf dem Trikot des kleinen Jungen unterschrieb, wurde erst einmal der Chef laut. „Was glaubt ihr, was das hier ist?“, brüllte Baumgart, als er seine Profis nach dem Aufwärmen, das ihm nicht gefallen hatte, zusammengetrommelt hatte. „Das da drüben, das war ein Witz“, polterte der 52-Jährige und zeigte auf den Nebenplatz, wo die Erwärmung nach dem freien Montag stattgefunden hatte. Baumgarts klare Forderung: „Reißt euch zusammen!“ Dann übergab er an seinen langjährigen Vertrauten: René Wagner.
HSV-Trainer Baumgart zählte seine Profis am Dienstag an
Mit dem heute 36-Jährigen hatte Baumgart schon beim SC Paderborn und dem 1. FC Köln insgesamt dreieinhalb Jahre lang zusammengearbeitet, seit Februar nun beim HSV. Und besonders in Österreich ist auffällig, wie viel Vertrauen Baumgart seinem langjährigen Assistenten schenkt. Baumgart hat als Chefcoach die Hoheit, Übungen jederzeit mit einem Pfiff zu unterbrechen, und nutzt diese im Trainingslager im Salzburger Land auch sehr oft.
Wagner aber ist ebenfalls lautstark dabei, leitet Spielformen teilweise allein an, teilt die internen Teams ein und gibt Anweisungen auf Deutsch und Englisch. Polzin hingegen hält sich bei den Passübungen, beim Einstudieren des Spielaufbaus oder des offensiven Pressings eher zurück – außer am Mittwochvormittag, als er im Minutentakt taktische Befehle gab und deutlich Korrekturen einforderte, weil er bei Laufwegen Nachbesserungsbedarf sah.
„Walters Lautsprecher“, hatte die MOPO im Vorjahr noch im Rahmen des Trainingscamps in Kitzbühel getitelt. In Walters Trainer-Team beim HSV mit Filip Tapalovic und Julian Hübner war Polzin meist noch derjenige, der während der Einheiten der Lauteste war und der die Vielzahl an Kommandos gab. Während der meisten Übungen hat diese Rolle inzwischen Wagner eingenommen – was angesichts der Vorgeschichte zwischen dem gebürtigen Dresdener und Baumgart nachvollziehbar ist. Der aus Hamburg stammende Polzin, in seiner Kindheit selbst großer HSV-Fan, hat dagegen jetzt in einem anderen Trainingsbereich den Hut auf, der unter Walter noch Tapalovic zugeteilt war.
Polzin ist neuer Standard-Experte unter den HSV-Trainern
Polzin ist unter Baumgart der Standard-Chef im Trainer-Team. Am Dienstag, als die Passübungen und Spielformen beendet waren, und es dann ums Trainieren von Ecken und Freistößen ging, war Polzins Stimme unüberhörbar. „Zweiter Ball“, schrie der ehemaliger Spieler vom Bramfelder SV etwa. Baumgart unterbrach immer mal wieder, Polzin allerdings sparte ebenfalls nicht mit Kommentaren, zog Spieler zu sich, beriet sich mit den Stürmern und gab ihnen Anweisungen. Wagner hingegen hielt sich beim Einüben der Standardsituationen eher im Hintergrund auf.
Und was bei der veränderten Rollenverteilung wichtig zu wissen ist: Der HSV hat sich in den bisherigen Testspielen sehr gefährlich nach Freistößen und Ecken präsentiert, gegen den FC Nantes (4:2) entsprangen sogar zwei eigene Tore einem Eckball. Das spricht für die Akribie, die Polzin seit Sommer 2020, als Ex-Chefcoach Daniel Thioune ihn vom VfL Osnabrück mit nach Hamburg brachte, an den Tag legt. Seine Ideen bei Standards tragen erste Früchte. Unter Walter galt Polzin auch als Analytiker, der die erste Hälfte von Spielen sehr oft von der Tribüne aus verfolgte, um taktische Schlüsse zu ziehen. Das ist nun nicht mehr geplant, sein Platz ist auf der Bank an der Seitenlinie.
Ex-Kölner McKenna ist bald neuer Co-Trainer beim HSV
Spannend indes bleibt, wie sich die Aufgabenverteilung noch einmal abändern wird, wenn Baumgarts Wunsch-Assistent beim HSV loslegt. Ex-Bundesliga-Verteidiger Kevin McKenna, der von Sommer 2021 bis zu Baumgarts Entlassung im Dezember 2023 ebenfalls dessen Co-Trainer beim 1. FC Köln war, soll zeitnah dem Hamburger Trainer-Team angehören. „Es ist ein Wunsch von mir, dass Kevin zu uns kommt“, sagte Baumgart unlängst. Noch hat der 44-Jährige aber private Angelegenheiten zu klären, sein Start-Zeitpunkt im Volkspark ist noch nicht festgelegt.
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Baumgart freut sich aber schon auf die Verstärkung: „Kevin bringt sehr viel mit, auch aus seiner Praxis. Er war ein Spieler, der nicht nur über die Mentalität gekommen ist, sondern auch über die Leistung“, beschrieb der HSV-Chef zuletzt. „Als Trainer ist er sehr emotional und lautstark und immer ein Co-Trainer gewesen, der die Jungs sehr gut erreicht. Wenn ich das alles aufzähle, dann gehen Sie mal davon aus, dass wir das alles gebrauchen können.“ Der HSV braucht also neben Wagners Lautstärke und Polzins neuer Standard-Expertise auch McKennas Emotionalität.