„Fast peinlich“: Hamburgs Beach-Aufsteigerin über ihr Turbo-Olympia
Auf ihrem Weg in die Weltspitze hatte es Svenja Müller eigentlich gar nicht so eilig. Aber sie war verdammt schnell. Schneller als erwartet. Weil sie verdammt gut ist. Vor vier Jahren war sie zarte 19 Jahre alt, hatte gerade die Schule beendet und zog nach Hamburg, um dort am Bundesstützpunkt Beachvolleyball zur professionellen Spielerin zu werden. Jetzt feiert die 1,92 Meter große Hamburgerin ihr Debüt bei Olympischen Spielen – und kann es selbst kaum fassen. Turbo-Olympia!
Kneifen könnte helfen. Einfach mal zwischendurch zwicken, wenn man glaubt, zu träumen. „Olympia war immer mein großer Traum, mein großes Ziel“, sagt Müller im Gespräch mit der MOPO. „Dass ich jetzt in Paris dabei bin, ist echt krass. Das muss man erstmal realisieren.“
Svenja Müller: Plan war auf Olympia 2028 ausgelegt
Geplant war das nicht. Zumindest nicht so zeitig. „Als ich 2020 nach Hamburg kam, das Abi in der Tasche, da hätte ich nie gedacht, dass schon 2024 ein Thema werden könnte. Geplant waren eigentlich die Spiele 2028 in Los Angeles“, erzählt die 23-Jährige, die bis 2020 auch noch Hallenvolleyball gespielt hatte, ganz offen. Als sich dann ab 2021 an der Seite der zehn Jahre älteren Weltklasse-Abwehrspielerin Cinja Tillmann die ersten Erfolge einstellten, wurden beide schnell als Olympia-Team für Paris gehandelt.
„Das war mir am Anfang fast peinlich“, gibt die zurückhaltende und bescheidende Müller offen zu. „Das ging mir alles zu schnell.“ Mit den Vorschusslorbeeren, die wiederum verbunden waren mit – Erwartungsdruck. Sehr früh sehr viel davon. Nicht einfach, als sehr junge Athletin damit umzugehen. Sie hat das auf bemerkenswerte Weise hinbekommen.
Der Aufstieg: rasant. 2022 wurden Müller und Tillmann überraschend WM-Dritte und danach Deutsche Meisterinnen, wiederholten Letzteres 2023 und wurden beim Finale der Weltserie Zweite. In diesem Jahr gab es drei fünfte Plätze bei Elite-16-Turnieren und zuletzt in Wien – bei der olympischen Generalprobe – sogar den Turniersieg. Die perfekte Vorbereitung.
Haben Müller/Tillmann in Paris eine Medaillen-Chance?
Was geht in Paris? „Es kann alles passieren“, sagt Müller. „Wir müssen uns auf keinen Fall verstecken.“ Das klingt selbstbewusst. Auf der anderen Seite will sie kein konkretes Ziel formulieren. „Platzierungstechnisch haben wir uns gar nichts vorgenommen. Wir wollen uns freispielen und einfach unser Bestes geben.“
Zu den Top-Favoritinnen – allen voran die Weltranglisten-Ersten Patricia/Duda (Brasilien), die Zweitplatzierten Nuss/Kloth und die Weltmeisterinnen Hughes/Cheng (beide USA) – zählen sie nicht, aber zum erweiterten Kreis der Medaillen-Anwärterinnen. Der ist allerdings groß. „Es war noch nie so offen in den letzten Jahren“, befindet Müller.
„Wir kämpfen bis bis zum letzten Punkt, geben niemals auf“
Die größte Stärke des derzeit besten deutschen Duos, aktuell Weltranglisten-Neunte? „Wir stehen als echtes Team auf dem Feld“, antwortet Müller wie aus der Pistole geschossen. „Wir kämpfen bis zum letzten Punkt und geben niemals auf.“ Das wollen sie in Paris mehr denn je in die Waagschale werfen.
Pünktlich zu ihrer olympischen Premiere (auch für Tillmann sind es die ersten Sommerspiele) verschwindet die hartnäckige Regenfront über Paris und wird Sonne erwartet über der Gastgeberstadt und damit auch über dem spektakulär am Fuße des Eiffelturms gelegenen Beach-Stadion. Am Sonntagmittag (12 Uhr) treffen Müller/Tillmann im ersten Gruppenspiel auf das Gastgeber-Duo Viera/Chamerau. Am Mittwoch (11 Uhr) geht es gegen die Tschechinnen Stochlova/Hermannova und Freitagabend (22 Uhr) gegen das US-Team Hughes/Cheng. Zweimal Favorit, im Gruppenfinale dann Außenseiter.
Lange Pausen zwischen den Spielen als Herausforderung
Gewöhnungsbedürftig und mental herausfordernd sind für die Olympia-Neulinge die langen Pausen zwischen den Spielen. Auf der Beach-Tour wird täglich gespielt, manchmal auch doppelt. „Es wird wichtig sein, zwischen den Spielen auch mal abzuschalten, den Kopf freizubekommen“, so Müller, die von den vier deutschen Beach-Frauen, die in Paris am Start sind – Tillmann (33) sowie Laura Ludwig (38) und Louisa Lippmann (29) – die mit Abstand jüngste ist.
Es gilt auch, die Eindrücke zu verarbeiten. Olympia kann überwältigend sein. Das Olympische Dorf, die Sport-Gemeinschaft aus aller Welt, Mega-Stars, die einem über den Weg laufen, dazu das riesige 13.000 Zuschauer fassende Beach-Stadion. „Ich will das alles aufsaugen“, sagt die Block-Spielerin. „Vielleicht werde ich am Anfang auch überfordert sein.“ Sie hatte jedenfalls ein paar Tage Zeit, es ein wenig sacken zu lassen.
Müller wird in Paris von Freund und Familie unterstützt
Unterstützt wird Müller vor Ort in Paris von ihrem Freund und Teilen ihrer Familie. „Wir werden uns sicher zwischendurch treffen und mal essen gehen oder spazieren“, sagt Müller, stellt aber gleich klar: „An erster Stelle steht hier Beachvolleyball!“ Mit dem Eiffelturm nebenan ist Sightseeing ja quasi schon in die Wettkämpfe inkludiert. Praktisch. Und natürlich dürfen auch ihre Glücksbringer nicht fehlen. „Ich habe bei Turnieren immer meine beiden Lieblings-Strandtücher dabei“, erzählt Müller. „Und eines davon am Court. Immer.“