Große Schiffe wurden an der Küste vor Gadani in Pakistan auf Grund gesetzt, damit sie abgewrackt werden können. Könnte das auch in Norddeutschland passieren?
  • Große Schiffe wurden an der Küste vor Gadani in Pakistan auf Grund gesetzt, damit sie abgewrackt werden können. Könnte das auch in Norddeutschland passieren?
  • Foto: IMAGO/Newscom World

Schiffsrecycling made in Norddeutschland: Was dem noch entgegensteht

Wenn Schiffe ausgemustert werden, landen sie zum Abwracken meist in Südasien. Inzwischen stehen aber auch in Norddeutschland zwei Firmen bereit, Schiffe zu recyceln. Doch die bürokratischen Hürden sind hoch.

Weltweit werden jährlich rund 700 Hochseeschiffe abgewrackt – Tendenz steigend. Sie werden fast alle in Bangladesch, Indien und Pakistan auseinandergenommen, wo bislang die Auflagen für den Umwelt- und Arbeitsschutz sowie die Kosten deutlich geringer sind als in Europa. 

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Allein in Bangladesch decken nach Angaben des Verbands der Deutschen Reeder die dortigen Recyclingplätze geschätzte 80 Prozent des Stahl-Rohstoffbedarfs des Landes. Auch in Deutschland könnte künftig aus ausgemusterten Schiffen Gebrauchtstahl gewonnen werden. Zwei Unternehmen in Norddeutschland stehen in den Startlöchern, um Schiffsrecycling anzubieten. Doch die bürokratischen Hürden sind hoch. 

Wie ist die Ausgangslage?

Ab Mitte 2025 gelten weltweit einheitliche Regeln für das sichere und umweltfreundliche Recyceln von Schiffen. Dann tritt die sogenannte Hongkong-Konvention der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) in Kraft: Für das Abwracken von Seeschiffen werden verbindliche Standards für den Rückbau der Schiffshüllen sowie das Recycling der an Bord befindlichen Materialien vorgegeben. Dadurch steigt nach Auffassung der Branche auch die Wettbewerbsfähigkeit von Abwrackwerften in der EU.

Gibt es bereits Standorte für Schiffsrecycling in Europa?

In Europa regelt seit 2013 eine EU-Verordnung das nachhaltige Abwracken von Schiffen, wo es bislang rund 30 zugelassene Recyclingwerften gibt. Diese sind vor allem in der Türkei. Der Anteil der anderen europäischen Länder fällt nach Angaben des Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ) „marginal“ aus. 

Wie sieht es in Deutschland aus?

In Deutschland existieren bisher keine spezialisierten Schiffsabwrackplätze. Das Bremer Unternehmen Leviathan hatte im September 2023 angekündigt, auf der Stralsunder Volkswerft eine erste Anlage für emissionsarmes Schiffsrecycling in Betrieb nehmen zu wollen. Nach eigenen Angaben liegt ein Konzept zur Schiffszerlegung vor, dass nahezu ohne CO2-Ausstoß auskommt. Gearbeitet werden soll mit Robotern und Wasserstrahlschneidern mit hohem Druck. Diese sollen mit regenerativer Energie betrieben werden. Zerlegt werden könnten Schiffe bis zu einer Länge von 140 Metern. 

Der Start zieht sich jedoch hin: „Das Genehmigungsverfahren verzögert sich weiter“, sagt Leviathan-Mitgründer Simeon Hiertz. Ähnliches gilt für die Emder Werft und Dock GmbH (EWD). Sie hatte im März 2024 mitgeteilt, mit dem neu gegründeten Unternehmenszweig EWD Benli Recycling GmbH & Co. in den Rückbau von Schiffen einzusteigen. Kerngeschäft soll der Rückbau kleiner Einheiten von Behörden, Binnen-, Küstenmotor- sowie kleinen Fahrgastschiffen und Fähren werden. Auch hier verzögert sich der Start: Das Zertifizierungsverfahren ist noch am Laufen, wie Geschäftsführer Björn Sommer sagt.

Worin liegen die Hürden für deutsches Schiffsrecycling?

Eine Ende 2023 veröffentlichte Studie des DMZ zum Thema kommt zum Ergebnis, dass für das nachhaltige Schiffsrecycling in Deutschland „einige Markteintrittsbarrieren“ bestehen. Auch wenn inzwischen immerhin Zuständigkeiten geklärt worden seien, seien die bürokratischen Hürden für die Genehmigung immer noch „sehr hoch“, sagt Runa Jörgens, Kommissarische Geschäftsführerin des DMZ.

Das Bundesemissionsschutzgesetz sei bisher nicht darauf ausgerichtet, dass auch Schiffe recycelt werden. Die komplette Entkernung im Rahmen einer Schiffsrenovierung, die auf Werften nicht unüblich ist, und der Rückbau eines Schiffes sei juristisch nicht das Gleiche. „In der Praxis ist das aber ziemlich ähnlich“, sagt Jörgens. Dennoch benötigten die Werften eine zusätzliche Genehmigung.

Wie steht die Politik zum Schiffsrecycling?

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Förderung von Schiffsrecycling in Deutschland als Zielvorgabe genannt. Auch die Küstenländer haben ein Interesse daran und die bestehenden Hürden im Genehmigungsverfahren ins Visier genommen. 

In einem Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen im niedersächsischen Landtag vom März 2024 wird angeregt zu prüfen, „wie solche Verfahren vereinfacht respektive beschleunigt werden können“. Der Rostocker IHK-Präsident Klaus-Jürgen Strupp setzt auf ganz Norddeutschland: Aufgrund der vorhandenen maritimen Infrastruktur sei der Norden prädestiniert, eine Vorreiterrolle für Schiffsrecycling einzunehmen.

Wie sieht der Bedarf an Schiffsrecycling in Zukunft aus?

Mit dem künftigen klimafreundlichen Umbau der Schiffsflotten dürften die Schiffsabwrackanlagen in den nächsten Jahren nach Expertenansicht großen Zulauf bekommen. Der in Dänemark ansässige internationale Schifffahrtverband Bimco schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich mehr als 15.000 Schiffe mit einer Tragfähigkeit von über 600 Millionen Tonnen recycelt werden – mehr als das Doppelte der Menge, die in den vorangegangenen zehn Jahren recycelt wurde.

Warum hat die Industrie Interesse an Schiffsrecycling in Deutschland?

Schrott ist laut einer Studie des Fraunhofer IMWS ein zentraler Rohstoff für die Stahlherstellung und trägt erheblich zur Minderung von Emissionen bei. Stahlunternehmen werden daher im Zuge der Umstellung auf „Grünen Stahl“ zukünftig noch mehr Stahlschrott als bisher verwenden. Einen Teil des Bedarfs könnte nach Auffassung des DMZ durch Schiffsrecycling in Deutschland gedeckt werden. Aber nicht nur der Stahl kann weiterverwendet werden: Laut IMO können fast alle Materialien und Geräte, die bei der Herstellung eines Schiffes genutzt werden, in anderer Form wiederverwendet werden. 

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