Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) bei einer Pressekonferenz (Archivbild).
  • Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) bei einer Pressekonferenz (Archivbild).
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Grote über Abschiebungen: Nicht jedem in Afghanistan „wird der Kopf abgeschlagen“

Nach dem Anschlag von Solingen bekräftigt Hamburgs Innenminister Grote seine Forderung nach schnelleren Abschiebungen und Waffenverboten. Doch die Umsetzung sei „extrem herausfordernd“, sagt er.

Nach der Messerattacke von Solingen mit drei Toten dringt Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) weiter auf die Abschiebung von afghanischen oder syrischen Straftätern in ihre Heimatländer. Die Umsetzung sei jedoch extrem herausfordernd. „Aktuell schiebt kein europäisches Land nach Afghanistan ab“, sagt der Senator knapp drei Monate nach seinem Vorstoß für ein solches Vorgehen.

Es sei trotzdem der Anspruch der Bundesregierung, das jetzt hinzukriegen. Es brauche Absprachen mit den Transitländern, außerdem müssten rechtliche Probleme geklärt werden. Deutsche Beamten könnten abzuschiebende Afghanen oder Syrer nicht in ihr Heimatland begleiten.

Grote: Nicht jedem wird „der Kopf abgeschlagen“

Anfang Juni, nach dem Tod eines Polizisten bei einem Messerattentat in Mannheim, hatte Grote gefordert: „Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er aus Afghanistan kommt. Hier wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.“

Die Lage in Afghanistan könne von Hamburg aus nur begrenzt bewertet werden, sagte der Senator nun: „Aber wir haben schon eine ganze Reihe von Hinweisen, dass jetzt nicht jedem, der da über die Grenze geht, der Kopf abgeschlagen wird.“ Offenbar fänden auch in größerem Umfang private Reisen nach Afghanistan statt und der Flughafen von Kabul sei nicht völlig verwaist. Eine ganze Reihe von Afghanen, die in Hamburg lebten, hätten auch keinen Schutzstatus.

Keine neue Gefährdungslage in Hamburg

Seit dem Amoklauf eines Palästinensers in Hamburg-Barmbek vor sieben Jahren habe es keine Messertat mehr in der Hansestadt gegeben, die mit der Messerattacke von Solingen vergleichbar wäre. „Wir haben keine neue Gefährdungslage. Wir leben seit Jahren mit dieser abstrakt hohen Gefahr, dass es zu weiteren Anschlägen kommen kann“, sagte Grote.

Daran habe sich auch nach der Tat von Solingen nichts geändert. „Es hat sich jetzt halt einmal realisiert, genau dieses Risiko, mit dem wir die ganze Zeit umgehen müssen und auf das wir auch eingestellt sind.“

Grote will schärferes Waffenrecht: „neue Waffentragekultur“

Der Senator bekräftigte seine Forderung, das Waffenrecht bundesweit zu verschärfen. Die Mitnahme von Messern in Bahnhöfen, Zügen und auf Großveranstaltungen müsse verboten werden. Es gebe eine sehr beunruhigende Serie von Messertaten, nicht nur im Bereich des Islamismus.

„Man kann schon so etwas wahrnehmen wie eine neue Waffentragekultur. Es gibt sehr viele Menschen, die das Gefühl haben, es ist völlig normal, im öffentlichen Raum mit einem Messer unterwegs zu sein.“ Seit Einführung der Waffenverbotszone am Hamburger Hauptbahnhof am 1. Oktober vergangenen Jahres seien bei Kontrollen mehr als 500 Waffen eingezogen worden, davon 350 Messer. „Jedes Messer, das wir einsammeln, ist ein Risiko weniger“, sagte Grote.

CDU: Nicht die Messer sind das Problem

CDU-Fraktionschef Dennis Thering bezeichnete die Forderung nach einem Messerverbot als reine Ablenkungsdebatte. „Nicht die Messer sind das Problem und dürfen bereits heute nicht auf öffentliche Feste wie in Solingen mitgenommen werden, sondern diejenigen, die diese einsetzen, um Menschen schwer zu verletzen und zu töten.“ Die Migrationspolitik müsse verändert werden. „Wir brauchen jetzt eine scharfe Asylwende. Es reicht!“, forderte der Oppositionsführer.

Die Hamburger FDP-Vorsitzende Katarina Blume meinte: „Wichtig ist, dass die Rückführung von Straftätern und Gefährdern schnell und konsequent umgesetzt wird.“

Zahl der Abschiebungen von Straftätern stagniert

Nach Angaben von Grote sind aus Hamburg in diesem Jahr bereits rund 1.000 Ausländer abgeschoben worden. Das seien circa 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und so viele wie seit sieben Jahren nicht mehr. 2023 seien es im Gesamtjahr rund 1.500 Menschen gewesen.

Die Zahl der Ausreisepflichtigen in Hamburg sei zuletzt auf rund 6.500 gesunken. 500 von ihnen hätten keine Duldung. Besondere Priorität habe die Abschiebung von Straftätern. In diesem Jahr seien schon über 100 außer Landes gebracht worden, es würden voraussichtlich wieder 200 im Gesamtjahr werden. Die Zahl der Abschiebungen von Straftätern ist damit seit 2022 praktisch unverändert.

Verhafteter Intensivtäter wieder frei

Ein konkreter Einzelfall verdeutlicht auch bei diesem Vorgehen die rechtlichen und praktischen Probleme. Am 9. April hatte die Polizei einen mutmaßlichen Anführer einer Jugendbande festgenommen, die für Straftaten am Jungfernstieg verantwortlich sein soll.

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Der damals 18-jährige Afghane kam in Untersuchungshaft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft seitdem den Widerruf seines Schutzstatus. Inzwischen wurde der als Intensivtäter eingestufte junge Mann wieder freigelassen, wie der Senat Anfang August auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion mitteilte.

Bericht: Strafgefangene werden trotz Ausweisung nicht abgeschoben

Eine Evaluation des Hamburgischen Resozialisierungs- und Opferhilfegesetzes kam nach Angaben der CDU-Fraktion kürzlich zu dem Ergebnis, dass nicht einmal die Gefangenen, für die eine Ausweisungsverfügung zum Zeitpunkt ihrer Entlassung vorliege, auch tatsächlich abgeschoben werden. Häufig handele die Ausländerbehörde erst so spät, dass noch keine Entscheidung über eine Abschiebung getroffen worden sei oder Dokumente fehlten.

Die Innenbehörde widersprach dieser Darstellung. „Eine Vielzahl an Abschiebungen erfolgt direkt aus Strafhaft“, erklärte Pressesprecher Daniel Schaefer. In diesem Jahr seien bereits 63 Straftäter aus dem Gefängnis abgeschoben worden. In rund 30 weiteren Fällen werde die Rückführung aktuell vorbereitet.

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