Der Schrecken der Pfuscher im OP: MOPO-Reporter deckte historischen Skandal auf
Sie lesen hier einen Auszug aus dem schonungslos ehrlichen Buch „Morgen wird nicht gedruckt. Papier ist alle.“ (352 S., Junius, 29.90 Euro) zum 75. Geburtstag der MOPO, Deutschlands ältester Boulevardzeitung.
Am Morgen des 10. Januar 1984 ahnt in der MOPO-Redaktion noch niemand, wie turbulent dieser Tag werden sollte. „Chefarzt operierte uns zu Krüppeln“, titelt die MOPO, es ist eine Geschichte, deren Tragweite historisch ist – ein Fall, an den Medien noch Jahrzehnte später erinnern.
So wie die „Welt“ im Januar 2014, genau 30 Jahre nach der MOPO-Veröffentlichung: „Nicht die zuständige Gesundheitsbehörde oder die ärztliche Leitung im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek, sondern der Journalist Gerd-Peter Hohaus, Redaktionsmitglied der Hamburger Morgenpost, brachte an das Licht der Öffentlichkeit, was sich jahrelang in der Orthopädie dieses Krankenhauses abgespielt hatte. Aus diesen Enthüllungen wurde ein Fall, der sich zu einer Lawine von Kunstfehler-Prozessen auswuchs, die in die bundesdeutsche Rechtsgeschichte eingegangen sind.“
MOPO-Reporter deckte Pfuscher-Vorfälle im AK Barmbek auf
Die Opfer – das sind Patienten von Professor Rupprecht Bernbeck (1916–2003), einst gefeierter und dreifach promovierter Chefarzt der Orthopädie im AK Barmbek. „Der wurde wie ein Messias verehrt“, sagt Hohaus, „Seine autoritär-joviale Art entsprach dem Bild des unfehlbaren Chefarztes, das vielen Patienten und Untergebenen gefiel.“
Der Stein gerät ins Rollen, als MOPO-Reporter Hohaus, damals 38, bei der morgendlichen Zeitungslektüre auf eine Kleinanzeige mit Chiffrenummer stößt. Dort werden Patienten gesucht, die sich von Ärzten geschädigt fühlen. Beim ersten Kontakt trifft er fünf junge Leute an Krücken und im Rollstuhl, die ihm stapelweise Krankenakten und Röntgenbilder als Beweise vorlegen. Die Schilderungen der Betroffenen sind so ungeheuerlich, dass die MOPO-Leute Zweifel haben, ob das stimmen kann.
Pfuscher-Arzt stand Jahre später vor Gericht
Es beginnt eine Recherche, die gegen viele Widerstände läuft. Anwälte drohen. Ärztliche Schweigepflicht. Druck von Bernbecks einflussreichen Freunden in der Stadt. Gerd-Peter Hohaus gibt nicht auf, er deckt die ganze Geschichte auf: Mindestens 242 Menschen zählen zu den Opfern von Bernbecks „Flinke-Messer-Operationen“, bei denen es ganz offensichtlich regelmäßig zu haarsträubender Pfuscherei gekommen war. Jahre später steht Bernbeck vor Gericht. Die meisten Fälle sind schon verjährt, der Arzt kommt mit einer läppischen Geldstrafe davon.
Ein besonderes Jubiläumsbuch – ganz ohne langweilige Danksagungen: Zum 75. Geburtstag der „Hamburger Morgenpost“ zieht Deutschlands älteste Boulevardzeitung blank und erlaubt ehrliche Einblicke in das Innenleben der Redaktion – ungeschönt, nicht immer hübsch, manchmal ganz schön heftig. Aber auch voller Liebe, Energie und Respekt für das, was Menschen hier in 75 Jahren geleistet haben.
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Es bleibt nicht der einzige Skandal, den Hohaus aufdeckt: „Tödliche Strahlen im UKE“ titelt die MOPO am 18. Juni 1993. Im Fokus: der Direktor der Strahlentherapie am UKE. Der Radioonkologe soll Krebskranke mit teilweise drastisch überhöhten Strahlendosen behandelt haben. In der Folge erleiden seine Patientinnen und Patienten schwerste Verbrennungen am und im Körper, Organschäden, die unvorstellbar schmerzhaft sind – und mitunter tödlich enden.