Verletzte
  • Ersthelfer des Zivilschutzes bringen einen verletzten Mann, dessen tragbarer Pager explodiert ist, ins al-Zahraa-Krankenhaus.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Hussein Malla

Pager explodieren: Tausende Verletzte im Libanon – Hisbollah kündigt Vergeltung an

Plötzlich explodieren im Libanon zeitgleich Hunderte kleine Kommunikationsgeräte, sogenannte Pager. Ein Zusammenhang mit den Spannungen zwischen der Hisbollah und Israel liegt nahe.

Der Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz spitzt sich weiter zu: Bei mutmaßlich koordinierten Explosionen Hunderter tragbarer Funkempfänger sind im Libanon rund 2.750 Menschen verletzt und 9 Menschen getötet worden. Der Zustand von rund 200 Verletzten sei kritisch, erklärte der geschäftsführende libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad in der Hauptstadt Beirut. 

Die Hisbollah machte Israel für die zeitgleichen Explosionen der sogenannten Pager verantwortlich und kündigte Vergeltung für die „sündige Aggression“ an.

Laut Hisbollah starben bei den Explosionen drei Menschen

Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer sein, darunter auch Mitglieder der Elitetruppe Radwan. Zudem wurden hochrangige Hisbollah-Vertreter verletzt, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte. Örtlichen Medien zufolge trugen auch zwei Leibwächter von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Verletzungen davon.

Im Raum stand die Vermutung, dass Israel die Geräte als Angriff auf Hisbollah-Kämpfer gezielt zur Explosion gebracht haben könnte. Israels Armee kommentierte die Vorfälle zunächst nicht. Der israelische Kan-Sender berichtete, Militär und Verteidigungsministerium gingen davon aus, dass die Hisbollah mit einem Militäreinsatz gegen Israel reagieren werde. Es gab dazu am Abend Beratungen im Militärhauptquartier in Tel Aviv. 

Pager vermutlich mit Schadsoftware präpariert

Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Hisbollah habe die Pager erst kürzlich in einer Lieferung erhalten. Das „Wall Street Journal“ berichtete unter Berufung auf Hisbollah-Mitglieder, Hunderte von ihnen hätten solche Geräte. Die Geräte seien vermutlich mit Schadsoftware versehen gewesen, die zu einer Überhitzung und zur Explosion geführt habe. 

Experten gingen davon aus, dass es sich bei den Pagern um ein für die Miliz sehr wichtiges Kommunikationssystem handelte. Die Hisbollah ist demnach aus Sicherheitsgründen von Mobiltelefonen auf Pager umgestiegen – unter anderem, weil bei diesen der Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann. Damit – so die Logik – wären sie auch weniger anfällig für Überwachungsmaßnahmen oder Angriffe der elektronischen Kriegsführung. 

In den Straßen von Beirut brach Panik aus

In Videos von Überwachungskameras im Libanon war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden. Bilder aus Krankenhäusern zeigten überfüllte Räume mit blutenden Patienten. 

Auch in Syrien, wo die Hisbollah und andere Iran-treue Milizen aktiv sind, kam es zu solchen Explosionen. Dabei seien 14 Hisbollah-Mitglieder verletzt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London. 

Augenzeugen berichteten von Panik in den Straßen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Das libanesische Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft auf und forderte die Menschen auf, keine Funkgeräte zu benutzen. Das Ministerium rief zu Blutspenden auf.

Auch Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Die Hisbollah ist der wichtigste nicht-staatliche Verbündete der Islamischen Republik Iran.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs: tägliche Konfrontationen an der Grenze

Nach fast einem Jahr Dauergefechten zwischen Israel und der Hisbollah mehrten sich zuletzt die Zeichen, dass der Konflikt zu einem offenen Krieg eskalieren könnte. Die Rückkehr der geflüchteten israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes zählt nun – neben der Befreiung der Geiseln aus dem Gazastreifen und der Zerstörung der Hamas – zu Israels erklärten Kriegszielen. 

Der einzige Weg dahin sei «ein militärischer Einsatz», sagte Israels Verteidigungsminister Joav Galant am Montag nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit US-Vermittler Amos Hochstein. Die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung im Konflikt mit der Hisbollah rücke immer weiter in die Ferne, weil die Miliz ihr Schicksal mit der Hamas im Gazastreifen verbunden habe und sich weigere, den Konflikt zu beenden, sagte er demnach.

Konflikt zwischen Hisbollah und Israel

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet fast täglich zu Konfrontationen zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es infolge des Beschusses Tote – die meisten von ihnen waren Mitglieder der Hisbollah. Erst am Dienstag wurden nach israelischen Angaben bei einem Angriff auf einen Ort im Südlibanon drei Hisbollah-Kämpfer getötet. 

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Insgesamt mussten seither rund 60.00 Israelis ihre Häuser und Wohnungen in vielen Dörfern sowie der Stadt Kiriat Schmona im Norden Israels verlassen. Viele Betroffene leben seit Monaten in vom Staat bezahlten Hotels. In mehreren Ortschaften im israelischen Grenzgebiet wurden Dutzende Häuser sowie Infrastruktur beschädigt. Das Militär ist in der Gegend schon immer präsent. Seit Beginn der Gefechte mit der Hisbollah gibt es dort aber etwa auch Kontrollpunkte der Armee auf von Zivilisten genutzten Straßen. Auch aus dem südlichen Libanon sind Tausende Menschen in andere Landesteile geflohen.

Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet erklärte, einen Bombenanschlag der Hisbollah auf einen ehemaligen ranghohen Sicherheitsvertreter Israels vereitelt zu haben. Die Attacke sei in den kommenden Tagen geplant gewesen, hieß es. Der Sprengsatz sei mit einem Fernzünder ausgestattet gewesen, verbunden mit einer Kamera und einem Handy. So hätte die Bombe demnach vom Libanon aus von der Hisbollah gezündet werden können. 

Hisbollah auf „jegliches Szenario“ vorbereitet

Unter Generalsekretär Hassan Nasrallah hat die Hisbollah mit Unterstützung aus Teheran ihren Einfluss stetig ausgebaut. Dieser reicht tief in den von Krisen gelähmten libanesischen Staat. Die Organisation kontrolliert vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel der Hauptstadt Beirut sowie die Bekaa-Ebene im Norden des Landes. Die Hisbollah sieht sich auf „jegliches Szenario“ vorbereitet, wie es aus informierten Kreisen hieß. 

Beobachter gehen von weiteren militärischen Aktionen aus

Beobachter gehen davon aus, dass es in naher Zukunft zu weiteren und womöglich größeren militärischen Zusammenstößen zwischen Israel und der Hisbollah kommen könnte. Das mögliche Ausmaß der Konfrontation sei jedoch unklar, sagte Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis (INEGMA), der dpa. Auch innerhalb der israelischen Regierung gebe es dazu verschiedene Meinungen. Ein israelischer Einsatz mit Bodentruppen im Libanon ist nach Einschätzungen des politischen Analysten Makram Rabah wahrscheinlich. „Aber es ist eine Frage des Timings“, sagte er.

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