Davie Selke und Robert Glatzel jubeln vor der HSV-Kurve
  • Der Moment der Erlösung: Davie Selke traf ganz spät zum 2:2.
  • Foto: WITTERS

„Geil, einfach geil!“ HSV verzweifelt – aber Selke wird dramatisch zum Erlöser

Stefan Kuntz, Steffen Baumgart, Jonas Meffert, sie alle hatten unter der Woche betont, dass da nach zwei souveränen Heimsiegen ein echter Gradmesser auf den HSV warten würde. Samstagabend. 20.30 Uhr. Zweitliga-Topspiel. Auf dem Betzenberg. Und dann dieses wahnsinnige Spiel. „Am Ende bestanden“, sagte Sebastian Schonlau über den ausgerufenen Härtetest und atmete nach Schlusspfiff auf. Der HSV hatte sich in allerletzter Sekunde ein hochverdientes 2:2 (0:1) beim 1. FC Kaiserslautern erkämpft – dank Davie Selke.

So emotional, wie der HSV-Joker nach seinem erlösenden Treffer in der fünften Minute der Nachspielzeit noch gejubelt hatte, so sachlich äußerte er sich wenige Minuten später in der Mixed Zone. „Super Ball, ich spekuliere und schädel ihn dann rein“, sagte Selke über die Szene, in der er eine Flanke von Adam Karabec per Kopf über die Linie gedrückt hatte (90.+5). Eine Willensleistung und anschließend Ekstase im Gästeblock. „Geil, einfach geil!“, so Selke.

HSV-Trainer Baumgart lobt die Comeback-Qualität

Immerhin noch dieser eine Punkt nach einem verrückten Spiel, diese Erkenntnis stand am späten Samstagabend im Vordergrund. Zumal der HSV nach 57 Minuten noch 0:2 hinten gelegen hatte und alles auf eine Auswärtsniederlage hindeutete. „Dann weiterzumachen, ist nicht so einfach“, analysierte Coach Steffen Baumgart, der seine Mannschaft eigentlich unverändert ins Rennen schicken wollte, kurzfristig aber Daniel Heuer Fernandes (Adduktorenprobleme) mit Keeper Matheo Raab ersetzen musste. Sonst begannen die Profis, die Regensburg mit 5:0 geschlagen hatten.


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Der HSV hatte in der ersten Halbzeit die Spielkontrolle, zwischenzeitlich rund 75 Prozent Ballbesitz und die Geduld, die man in so einem Auswärtsspiel eigentlich benötigt. Torchancen waren entsprechend rar gesät, Robert Glatzel vergab auf Seiten der Gäste nach einem Chipball von Silvan Hefti die beste (18.). Kein Problem – dachte man. Zumal Lautern wenig fürs Spiel tat, auf Konter über seine schnelle Außen Richmond Tachie sowie Aaron Opoku setzte – und auf Standards. Wegen eines solchen wurde der HSV dann aber bestraft, weil er kurzzeitig im Tiefschlaf versank.

HSV-Abwehr sieht vor dem 0:1 durch Ache nicht gut aus

Marco Richter ließ Erik Wekesser bei einem kurzen Freistoß trotz aller Hinweis-Pfiffe von Baumgart blank stehen, die Flanke des FCK-Verteidigers drosch Ragnar Ache per Volley ins Tor (33.). „Ich glaube, das ist die einzige Torchance, die sie in der ersten Halbzeit hatten“, ärgerte sich Schonlau hinterher. Die Führung spielte den Gastgebern in die Karten, der HSV presste hoch, aber wenig effektiv, und hatte ansonsten nur Halbchancen durch Richter (15./21.). „Es war ein sehr ausgeglichenes Spiel in der ersten Halbzeit“, sagte Baumgart. „Viel Ballbesitz, viel Spielkontrolle für uns, aber unsere Lösungen in der Offensive waren nicht gut.“ Trotzdem: Der Halbzeitrückstand war unglücklich.

Den verdienten sich die Lauterer dann aber nachträglich, weil sie wacher aus der Pause kamen und erneut trafen. Miro Muheim verlor im Dribbling unnötig den Ball, Opoku bediente Tachie, das 0:2 (50.). Angepeitscht vom Gros der 49.327 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion mauserte sich der FCK vorübergehend zum besseren Team dieses Topspiels, überzeugte nicht mehr nur durch Effektivität, sondern auch mit Kombinationsfußball. Opoku vergab freistehend und nach Steckpass von Ex-HSV-Profi Jan Gyamerah das vermeintliche 0:3 (52.). Und dann kam das Lebenszeichen vom HSV: Glatzel drückte eine Eckball-Flanke von Muheim im Fünfmeterraum über die Linie zum 1:2-Anschlusstor (58.). Der Auftakt zur Wende? Dieses Signal sendete Glatzel nach dem Treffer beim Jubel aus.

Die HSV-Joker glänzen: „Man kann von erzwingen reden“

Es war zunächst Marlon Ritter, der das 1:3 auf dem Fuß hatte (64.) – ehe die Schlussoffensive des HSV begann. Abgesehen von Selke drehten vor allem die Joker Jean-Luc Dompé und Adam Karabec auf. Der Franzose servierte für den ebenfalls eingewechselten Tschechen, der scheiterte im Eins-gegen-eins aber an FCK-Keeper Julian Krahl (72.). Als Karabec Glatzel bediente, führte auch dessen Hackentrick nicht zum Ausgleich (81.). Und schließlich fand Karabec per Linksschuss erneut seinen Meister in Krahl (82.). „Es war zum Schluss ein Feuerwerk“, sagte Schonlau.

Robert Glatzel mühte sich in den Duellen mit Jan Elvedi (r.) und Co. ab. WITTERS
Glatzel im Zweikampf mit Elvedi
Robert Glatzel mühte sich in den Duellen mit Jan Elvedi (r.) und Co. ab.

Der HSV drückte. Flankte. Schoss. Aber Glatzel vergab erneut aus spitzem Winkel (89.). Und Dompé hatte per Fernschuss auch keinen Erfolg, weil Krahl abermals überragend parierte (90.+1). „Und dann kann man schon von erzwingen reden“, beschrieb Schonlau. Denn der Moment, er sollte noch kommen. Karabec fand Selke, der Rest war Erleichterung. „Es ist überragend, wenn man das Ding dann macht und vor der Kurve jubeln darf. Es gibt nichts Besseres“, wurde Selke etwas euphorischer. Aber auch nur ein bisschen, denn der HSV wollte natürlich gewinnen.

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Mit einem Dreier wäre der HSV auf den zweiten Platz gesprungen. Von verlorenen zwei Zählern wollte nach dem Topspiel aber keiner etwas wissen. „Wir wollten auf Teufel komm raus diesen Punkt holen“, sagte Schonlau und lobte explizit die HSV-Joker, die die Pleite noch abwendeten. „Das ist das, wie wir uns das vorstellen, wie die Einwechselspieler reinkommen. Heute war es Davie, der das Ding über die Linie gedrückt hat“, lobte der Kapitän und hielt fest: „Nach einem 0:2 hier noch auf dem Betze zurückzukommen, ist nicht so ganz einfach.“ Der HSV schaffte dies aber, sehr verdient obendrein. „Wir hätten uns mehr gewünscht“, sagte Baumgart, „nehmen den Teilerfolg aber mit.“ Nach diesem verrückten Spielverlauf sehr gerne sogar. Härtetest bestanden? Definitiv den Charaktertest.

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