Nina Meinke mit blutüberströmtem Gesicht
  • Heftig: die blutüberströmte Nina Meinke im verbissenen Gefecht
  • Foto: IMAGO / Lobeca

Blutiges Drama in der Sporthalle Hamburg: Nina Meinke nach WM-Schlacht emotional

Manche der Zuschauenden konnten gar nicht mehr hinsehen. Rot. Überall Rot. Mit blutüberströmten Gesicht kämpfte Nina Meinke Rund für Runde um ihren großen Traum, auch ihre Gegnerin und sogar die Ringrichterin waren blutverschmiert. Vom Boden des Boxrings ganz zu schweigen. Hart, historisch, heftig. Der erste WM-Kampf im Frauenboxen über die Männer-Distanz auf europäischem Boden hatte es in sich und war nichts für schwache Nerven. Nach dem letzten Gong eines denkwürdigen Kampfabends in der Sporthalle Hamburg wurde es emotional.

Als das Punkturteil verlesen war, ging Nina Meinke auf die Knie und schlug die Hände, die noch immer in ihren Boxhandschuhen steckten, vor das geschundene Gesicht. Sie konnte es kaum fassen. Sie hatte Geschichte geschrieben – mit ihren Fäusten und einem riesigen Kämpferherz, von dem sich so mancher männliche Boxer eine große Scheibe abschneiden kann.

Nina Meinke wird in Hamburg IBF-Weltmeisterin

Weltmeisterin. „Das bedeutet mir alles. Ich kann es noch nicht fassen, dass dieser Traum wahrgeworden ist“, jubelte die 31-Jährige nach dem knallharten Schlagabtausch mit der starken und gefährlichen Argentinierin Daniela Bermudez (35) vor 1500 Zuschauenden in der Sporthalle Hamburg. „Alles worauf ich mein ganzes Leben hingearbeitet habe, ist heute in Erfüllung gegangen. Meine Emotionen schwappen über. Weinen, Lachen, alles kommt auf einmal.“

Erstmals wurde ein ein Frauen-Boxkampf in Europa wie bei den Männern über zwölf Runden zu je drei Minuten ausgetragen (statt zehn Runden à zwei Minuten). Ein Rekord-Kampf. „Wir Frauen haben gezeigt, dass wir das gleiche schaffen können, wie die Männer!“, rief die neue Weltmeisterin, die sich den vakanten Titel im Federgewicht des Weltverbandes IBF geschnappt hatte. Eine Energieleistung. Und ein Meilenstein für das Frauenboxen.

Erstmals boxen Frauen zwölf Runden à drei Minuten

Der Punktsieg (114:114, 119:109, 118:111) war verdient – wobei die letzten beiden Punktwertungen viel zu deutlich ausfielen, den verbissenen und engen Kampf nicht widerspiegelten. Die 119:109-Wertung war schlichtweg indiskutabel und peinlich. Das schmälerte Meinkes verdienten Triumph aber keineswegs, wurde aber dem starken Auftritt von Bermudez nicht gerecht, die sich jedoch als äußerst faire Verliererin zeigte und der Gewinnerin Respekt zollte.

Übel hatte der Kampf für Meinke begonnen. Schon in Runde zwei waren beide Boxerinnen unbeabsichtigt mit den Köpfen zusammengeknallt. Die Deutsche erlitt dabei eine Platzwunde auf der Stirn, direkt am Haaransatz, die heftig blutete. „Der Cut hat mich irritiert, weil Blut ins Auge gelaufen ist und ich verschwommen gesehen habe“, berichtete Meinke später. Doch „The Brave“, die Mutige, fing sich, schlug zurück, marschierte unermüdlich, während in den weiteren Runden das Blut unaufhörlich strömte, weil sich der Cut immer wieder öffnete.

Meinke lässt sich von blutendem Cut nicht stoppen

Warum der Kampf nicht abgebrochen wurde? Zwar blutete die Risswunde stark, aber es bestand – anders als bei einem Cut am Auge – nicht die Gefahr, dass sich die Verletzung verschlimmerte und gar bleibende gesundheitliche Schäden drohten. Zudem war die Sicht von Meinke nicht so stark eingeschränkt, dass sie die Schläge ihrer Gegnerin gar nicht mehr sehen konnte, was ein großes Risiko dargestellt hätte. Somit war es richtig, den Kampf weiterlaufen zu lassen. Kurz: Die Verletzung, die in Runde fünf noch einmal vom Ringarzt gecheckt wurde, sah schlimmer aus als sie war.

Schlimm sah es zweifellos aus. Auch Gegnerin Bermudez hatte ein blutverschmiertes Gesicht, weil sich beide Boxerinnen immer wieder im Clinch in den Armen lagen. Das hellblaue Hemd von Ringrichterin Karoline Pütz, die vor einer Woche den Show-Kampf zwischen Stefan Raab und Regina Halmich geleitet hatte, war nach den zwölf Runden ebenfalls blutbesudelt.

„Das war eine Schlacht“, brachte es Meinke – Patenkind von Ex-Weltmeister Sven Ottke, der am Ring lautstark mitfieberte – nach ihrem 19. Sieg im 22. Profikampf auf den Punkt. Der Cut musste in der Kabine genäht werden.

Lokalmatador Peter Kadiru feiert starken Sieg

Überzeugend und begeisternd war auch der Auftritt von Lokalmatador Peter Kadiru. Im zweiten Hauptkampf der Veranstaltung des Hamburger Boxstalls P2M. Der 27-jährige Schwergewichtler aus Altona besiegte den zähen Berliner Djuar El Scheich durch Technischen K.o. in Runde fünf und verteidigte seinen IBF-Intercontinental-Titel. „Ich bin sehr zufrieden“, sagte der gefeierte Kadiru nach dem Kampf, in dem er sehr variabel geboxt und immer wieder harte Körpertreffer und Aufwärtshaken gelandet hatte.

Kurzen Prozess machte der Deutsche Meister im Schwergewicht Viktor Jurk. Der 2,05-Meter-Riese aus Flensburg schickte den alles andere als austrainierten, aber mutig boxenden 140-Kilo-Mann Edonis Berisha schon nach 2:31 Minuten der ersten Runde mit einem krachenden Haken auf die Bretter. Berisha erlitt beim Volltreffer einen üblen Cut über dem linken Auge. Der Ringrichter brach den Kampf ab. Technischer K.o.-Sieg für Jurk (10 Kämpfe, 10 Siege, 8 vorzeitig). Sein Gegner musste im Krankenhaus behandelt werden.

Blitz-K.o von Jurk, Kisikyol tritt als Weltmeisterin ab

„Natürlich wünscht man sich, dass es schnell geht“, freute sich Jurk, der von der ersten Sekunde sehr offensiv und auch etwas zu offen geboxt hatte, über den Kampfausgang und kündigte nach der überzeugenden Kurzarbeit an: „Ich trainiere direkt weiter, gehe am Montag zehn Kilometer laufen.“ Sein großes Ziel: „Ich will Weltmeister werden.“

Als Weltmeisterin abgetreten ist die Hamburgerin Dilar Kisikyol – siegreich. In ihrem letzten Profi-Kampf gewann die Leichtgewichtlerin gegen die Belgierin Djemilla Gontaruk (32) einstimmig nach Punkten und wird sich künftig noch mehr sozialen Projekten wie dem Box-Training für Parkinsonkranke widmen.

„Mein Bruder sagt immer, ich sei eine Heulsuse. Heute ist das auf jeden Fall so“, sagte Kisikyol zum emotionalen Abschied und fügte angesichts der Strapazen nach insgesamt 16 Jahren Faustkampf an: „Im nächsten Leben werde ich Prinzessin!“

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