Gina Lang
  • Gina Lang, Studentin der Archäologie, bei der Grabung im Duvenseer Moor.
  • Foto: picture alliance/dpa/Markus Scholz

Archäologen gelingt spektakulärer Fund aus der Steinzeit

Das Duvenseer Moor gilt als Hotspot für Archäologen. Dort finden sie immer wieder Spuren steinzeitlicher Jäger und Sammler. Nun ist ihnen ein besonderer Fund gelungen – der ist 10.500 Jahre alt.

Nur eine Schaufellänge unterhalb der Grasnarbe ändert sich die Färbung schlagartig. Unter dem dunklen Boden kommt beim Graben am Rande des Duvenseer Moores in Schleswig-Holstein feinster Quarzsand zum Vorschein. „Das war vor 10.500 Jahren eine Sandbank in Ufernähe des ehemaligen Sees“, erzählt Harald Lübke vom Leibniz-Zentrum für Archäologie. Der in Wismar lebende Projekt- und Grabungsleiter arbeitet seit Jahren immer wieder auf der Wiese am Rande von Lüchow. Dort ließen sich nach der letzten Eiszeit Jäger und Sammler nieder.

Für die Archäologen ist der Ort seit langem ein Hotspot. Seit rund 100 Jahren graben sie immer wieder dort. Es gibt mehr als 20 Fundstellen, darunter steinzeitliche Wohnplätze. Als diese noch bewohnt waren, lag die letzte Eiszeit bereits mehrere 1.000 Jahre zurück. Die Ostsee in ihrer heutigen Form existierte noch nicht, stattdessen gab es viele Seen.

Studenten der Archäologie arbeiten an einem Grabungsschnitt im Duvenseer Moor. picture alliance/dpa/Markus Scholz
Studenten der Archäologie arbeiten an einem Grabungsschnitt im Duvenseer Moor.
Studenten der Archäologie arbeiten an einem Grabungsschnitt im Duvenseer Moor.

„Dieser Fundplatz ist für uns eine Wundertüte“, sagt Lübke. Und die enttäuschte den 64-Jährigen und sein Team auch in diesem Sommer nicht. Das Team entdeckte im Zuge der Lehrgrabungen mit angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin und der Uni Rostock das handflächengroße Bruchstück eines 10.500 Jahre alten Holzpaddels. Der Stil ist zwar abgebrochen, die Schulterpartie aber eindeutig erhalten. 

Archäologen begeistert

Vorsichtig holt Lübke das Paddel-Bruchstück aus einem Plastikbehälter mit Wasser. „Nach dem berühmten Fund des Paddels von Duvensee im Jahr 1925 ist dies das zweite Fundstück dieser Art“, sagt der 64-Jährige. Mit einem Papiertuch trocknet er vorsichtig die Oberfläche des Bruchstücks. Es sei zwar nicht so gut erhalten wie der Fund vor 99 Jahren. „Aber es zeigt eindeutig die typische Form der damaligen Zeit, denn man kann es eigentlich eins zu eins auf das alte Paddelblatt legen.“

Die Archäologen fanden das Bruchstück in Ufernähe. Deswegen geht der Grabungsleiter davon aus, dass die Jäger und Sammler es nicht beim Paddeln auf dem See verloren haben, wie dies mutmaßlich beim Fundstück von 1925 der Fall war. „Viel normaler ist, dass solche Stücke so lange benutzt werden, bis sie irgendwann zufällig zerbrechen“, sagt Lübke. „Das ist hier offenbar passiert und dieses Fragment ist dann zufällig mit in der Uferzone gelandet.“ Es habe eine ganz andere Vorgeschichte als der Fund aus dem vergangenen Jahrhundert.

„Diese Paddel sind wichtige Belege für frühe Mobilität auf dem Wasser. Vergleichbare Funde gibt es nur noch an der Fundstelle Star Carr im Norden Englands, deren Paddel etwas älter sind“, sagt Lübke.

Junge Teams graben

Auf dem etwa 40 Hektar großen Gelände sind diverse Grabungsschnitte zu sehen. Regelmäßig wird auf dem Grund des Landwirts Paul Petersen in enger Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein und dem Museum für Archäologie Schloss Gottorf gegraben. Die Forschenden stießen dabei auch auf zahlreiche Werkzeuge wie Knochenspitzen und Flintabschläge.

Grabungsleiter Harald Lübke zeigt einen bearbeiteten Feuersteinsplitter, der in der Vergangenheit als Widerhaken an einem Jagdgegenstand gedient haben kann. dpa
Grabung
Grabungsleiter Harald Lübke zeigt einen bearbeiteten Feuersteinsplitter, der in der Vergangenheit als Widerhaken an einem Jagdgegenstand gedient haben kann.

„Das ist das erste Mal auch, dass ich Holz sehe, das 10.000 bis 15.000 Jahre alt ist“, sagt die 24-jährige Studentin Gina Lang aus Rostock. Sie ist beeindruckt, wie gut erhalten das Holz nach der langen Zeit noch ist. Dafür liefere der Torf beste Bedingungen.

Für Lang ist es bereits die achte oder neunte Lehrgrabung. „Ich möchte sehr gerne in die Forschung gehen“, sagt die Studentin. Das sei ein guter Grad zwischen Praxis und Theorie. „Und da sehe ich mich eher nicht komplett zu 100 Prozent als Grabungsleiterin, aber zwischendrin.“

Zwölf Studenten aus Rostock

Zwei bis drei Wochen haben die Studenten aus dem Nordosten in Lüchow gearbeitet. „Das geisteswissenschaftliche Studium ist das eine. Aber das im Feld arbeiten, was dann letztendlich eher ein Handwerk ist, ist das andere“, sagt ihr Dozent 
Marcel Bradtmöller. Ein Dutzend Bachelor- und Master-Studierende hat er mitgebracht. Seine Gruppe habe im Duvenseer Moor vor allem Testschnitte gemacht. Anschließend müssten die Studierenden einen Bericht schreiben. „Aber der wird nicht benotet.“

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Grabungsleiter Lübke verspricht sich durch die Arbeiten ein besseres Verständnis der Lebensweise früher Jäger und Sammler nach der letzten Eiszeit. „Vor 10.500 Jahren veränderte sich die Landschaft hier dramatisch“, sagt er. „Die Jäger und Sammler lebten in dieser Zeit von der Jagd auf Rothirsche, Rehe und Wildschweine, vom Fischfang und dem Sammeln von Haselnüssen.“ Diese Lebensweise sei durch zahlreiche Funde vor Ort belegt.

Die Boote

Vor zwei Jahren fand ein Team die menschlichen Überreste eines vor 10.500 Jahren dort gestorbenen Norddeutschen, die älteste Brandbestattung ihrer Art in Norddeutschland. „Wir nehmen an, dass nördlich der Mittelgebirge damals nicht mehr als 10.000 Menschen gelebt haben“, sagt Lübke. „Wir wissen bis heute aber nicht, wie ihre Boote ausgesehen haben.“

Der Forscher hofft, eines Tages Reste eines Bootes der Jäger und Sammler zu finden. „Die Frage, ob die Menschen damals einfache Einbäume oder sogar mit Birkenrinde oder Tierfellen bespannte Spantenboote nutzten, ist in der Archäologie seit langem offen. Das Duvenseer Moor könnte uns hier wichtige Antworten liefern.“ Der Fund eines solchen Bootes wäre für ihn der Hauptgewinn.

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