Pflegeheime vorm Kollaps: Hilft Hamburgs Bürokratielösung gegen Fachkräftemangel?
Hamburger Pflegeheime, die nachweislich eine gute Betreuungsqualität bieten, müssen vom 1. November an nicht mehr so viel fachlich ausgebildetes Betreuungspersonal vorhalten. Der rot-grüne Senat reagiert damit nach eigenen Angaben auf die grassierende Personalnot, die in mindestens zwei Fällen schon zur Schließung von Pflegeheimen geführt hat.
Überdies verabredete der Senat eine Stärkung der akademischen Pflegeausbildung und kündigte bis Ende des Jahres eine Fachkräftestrategie für die Gesundheits- und Pflegeberufe an.
Bislang muss in den Einrichtungen unabhängig von der tatsächlich erreichten Pflegequalität mindestens die Hälfte des Pflege- und Betreuungspersonals über eine dreijährige Ausbildung verfügen. Der Neuregelung zufolge können Pflegeheime, bei denen die Landesverbände der Pflegekassen in den vergangenen zwölf Monaten ein hohes Qualitätsniveau festgestellt haben, die Quote künftig auf 40 Prozent senken. Derzeit gelte dies für rund ein Drittel der 142 stationären Pflegeeinrichtungen.
Flexible Fachkraftquote nur für Heime mit guter Qualität
„Die Flexibilisierung der Fachkraftquote ist ein Baustein, um das Angebot an guter stationärer Pflege in Hamburg zu stärken und es Angehörigen zu erleichtern, schnell einen guten Pflegeplatz zu finden“, sagte Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD). Dabei gelte: Je besser die Qualität einer Pflegeeinrichtung, desto flexibler könne sie im Personaleinsatz werden. Die Senatorin betonte aber: „Eine Flexibilisierung ist nur für Pflegeeinrichtungen möglich, die eine gute bis hohe Betreuungsqualität vorhalten.“
Die Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft nannten die Absenkung ein fatales Signal für die Beschäftigten und die pflegebedürftigen Menschen. „Studien belegen, dass die Qualität der Pflege leidet, wenn examinierte Fachkräfte durch Hilfskräfte oder Ungelernte ersetzt werden“, sagte der pflegepolitische Sprecher der Linksfraktion, Deniz Celik.
Aufgrund des demografischen Wandels sei davon auszugehen, dass die Zahl pflegebedürftiger Menschen zunehmen werde. „Deshalb brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Fachkräfte am Bett.“ Den Fachkräftemangel bekämpfe man nicht durch die Absenkung der Qualitätsstandards, sondern durch gute Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung.
Pflegeheime schließen aus Personalnot
Anfang Juli hatte die Diakoniestiftung Alt-Hamburg mitgeteilt, wegen des akuten Personalmangels Ende Januar zwei Pflegeheime zu schließen: das Heinrich-Sengelmann-Haus in St. Georg mit 95 Plätzen und das Seniorenhaus Matthäus in Winterhude mit 122 Plätzen. Nun hat auch das Amarita-Pflegeheim in Hohenfelde angekündigt, dass deren rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner Ende November umziehen müssten.
Um die Personalsituation in der Pflege langfristig zu entlasten, will der Senat einen neuen berufsbegleitenden Bachelorstudiengang einrichten, der die Kombination von Ausbildung und Studium in der Pflege ermöglichen soll. Zudem werde zur Ausbildung des Lehrernachwuchses für Gesundheits- und Pflegeberufe ein neuer Aufbaustudiengang geschaffen. Bei ihm sei eine Kapazität von jährlich 25 Studierenden mit Studienbeginn zum Wintersemester 2025/2026 geplant.
Fegebank: Akademisierung schließt Fachkräftelücke
„Eine wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Ausbildung ermöglicht vielfältige Karrieremöglichkeiten und macht den Pflegeberuf attraktiv“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).
Eine Akademisierung der Gesundheitsfachberufe führe auch dazu, dass die Pflegekräfte von morgen mehr Kompetenzen erwerben und Pflegeprozesse eigenständiger gestalten könnten. „Das unterstützt unser Gesundheitssystem, schließt die Fachkräftelücke und gewährleistet eine noch bessere Versorgung der Hamburgerinnen und Hamburger.“
Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) wies auf das neue Angebot des grundständig qualifizierenden Pflegewissenschaftsstudiums an der Beruflichen Hochschule Hamburg hin, das sowohl eine Ausbildung als auch ein Studium ermögliche. „Innerhalb von nur neun Semestern können junge Menschen den Berufsabschluss zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann und gleichzeitig den Bachelor erwerben.“
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Mit dem Angebot könnten die Teilnehmenden von Anfang an wichtige berufliche Praxis sammeln und in der zweiten Phase ihres Studiums bereits eine Berufstätigkeit aufnehmen. (dpa)