Habeck statt Honecker: Die Grünen bekämpfen nicht das System, sie sind das System
Läuft nicht so für die Grünen: Wahlen gehen verloren, der Bundesvorstand tritt desillusioniert zurück, die Migrationspolitik spaltet Anhänger und Funktionäre, die eigene Jugend träumt vom Sozialismus (den realen hat sie ja nicht mehr kennenlernen können) und verlässt scharenweise die Partei – und Erstwähler machen ihr Kreuz nicht mehr automatisch bei den grünen Klimaschützern, sondern vielerorts lieber bei der AfD.
Da verwundert es, mit welcher Nonchalance, ja gerade Wohlwollen die Rücktritte der Vorstände der Grünen Jugend auch in Hamburg kommentiert wurden. „Das sind junge Menschen und damit sollte man es wahrscheinlich auch belassen“, spöttelte Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks. Grünen-Urgestein Renate Künast erklärte, sie weine den Abtrünnigen keine Träne nach: „Wer so Sozialismus-Ideen hatte, war von Anfang an bei den Grünen falsch.“ Dabei entstammen die Grünen immerhin einem zum Teil radikalen Milieu aus Hausbesetzern, militanten Atomkraftgegnern, Kommunisten, Öko-Aussteigern und auch RAF-Sympathisanten.
Doch das ist lange vorbei. Die Grünen bekämpfen nicht mehr das System, sie sind das System. Personifiziert wird das durch Katharina Fegebank: Niemand sitzt länger im Senat als die Hamburger Spitzenkandidatin und ihr Parteifreund und Umweltsenator Jens Kerstan (9 Jahre!).
Deutschland braucht nicht noch eine linke Splitterpartei
Natürlich weiß der schlauere Teil der Grünen, dass Deutschland neben Linkspartei und BSW nicht noch eine Splittertruppe braucht, die den Sozialismus wieder einführen möchte. Das gilt besonders für Hamburg, wo im März die letzte Wahl vor der Bundestagswahl stattfinden wird. Ganz Deutschland wird auf diesen Stimmungstest schauen.
Lesen Sie auch: Superpragmatisch statt superlinks: Wie sich Hamburgs Grüne gegen den Abschwung stemmen
Die Grünen zielen dabei im Wahlkampf voll auf die Mitte: Sicherheit, Wirtschaft, Klimaschutz, Bildung, massive Infrastrukturinvestitionen, das sind die Themen. Maximal pragmatisch, maximal anschlussfähig, minimal oberlehrerhaft – es dürfte die Blaupause für Robert Habecks Kanzlerträume werden.