Damp
  • Ein beschädigter Steg an der Hafenanlage des Ostseeortes Damp
  • Foto: dpa

Ostseesturmflut: Manche Schäden sind immer noch sichtbar

Die Sturmflut vom Oktober vergangenen Jahres sitzt vielen an der Ostsee noch in den Knochen. Die von den Wassermassen verursachten Schäden waren gewaltig – und sind bis heute nicht komplett behoben.

Die Macht, mit der die Ostsee vor einem Jahr gegen die Küsten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern drängte, in Förden, Buchten und Häfen immer höher stieg, hatte viele Menschen kalt erwischt. Das Wasser stieg an mehreren Orten in Schleswig-Holstein um mehr als zwei Meter über den mittleren Wasserstand. Der Höchststand wurde in Flensburg mit 2,27 Metern gemessen. In Wismar standen das Hafengelände und ganze Straßenzüge meterhoch unter Wasser.

Viele Flutschutzanlagen wie Deiche erwiesen sich als untauglich, ein Naturereignis dieser Kraft abzuwehren. Überall entlang der Küste wurden Deiche und Hafenanlagen beschädigt oder zerstört, Häuser, Campingplätze und Hotels verwüstet. Aus Promenaden und Straßen brachen ganze Stücke heraus, zum Teil wurden sie komplett weggespült. 

In Sassnitz auf Rügen bot sich ein Bild der Zerstörung. Hunderte Boote sanken dort oder wurden beschädigt. Die Schäden waren enorm. Wenn auch noch keine Abschlussbilanz vorliegt, ein dreistelliger Millionenbetrag muss in jedem Fall dafür aufgewendet werden. Und noch sind nicht alle Schäden vollständig beseitigt.

Jachthafen Damp im Notbetrieb – Deichdurchbruch repariert

So sind etwa im Jachthafen Damp an der Ostsee die Zerstörungen ein Jahr später weiterhin sichtbar. „Wir werden einen komplett neuen Hafen bauen müssen“, sagt Bürgermeisterin Barbara Feyock. Wenn nur die Schäden beseitigt werden, wäre der Hafen bei künftigen großen Sturmfluten nicht sicher. 

Immerhin gab es in den Sommermonaten einen Notbetrieb mit 100 Liegeplätzen. Die seien gut angenommen worden, sagte Feyock. Ein Förderantrag für den Hafenneubau ist gestellt, die Investitionssumme liegt bei rund 24 Millionen Euro. Viel Geld für die Gemeinde – auch wenn 75 Prozent gefördert werden sollten. 

Immerhin, der Deichdurchbruch bei Damp, bei dem auch Teile des Ostseeküsten-Radweges zerstört wurden, ist repariert. Bis Ende November sollen die Restarbeiten an dem nun wesentlich stabileren Deich abgeschlossen sein, wie Feyock sagt. Im Frühjahr muss dann nur noch das Deckwerk für den Radweg gelegt werden. 

Flensburg richtete Arbeitsgruppe Hochwasserschutz ein 

In der besonders betroffenen Stadt Flensburg hat man reagiert und eine Arbeitsgruppe zum Hochwasserschutz eingerichtet, die sich mit Maßnahmen für einen besseren Schutz befasst und ein Konzept entwickelt, wie zentrale Bereiche der Stadt und der touristischen Infrastruktur besser geschützt werden können. 

Eine Baustelle an der von der Sturmflut beschädigten Kaikante in Flensburg dpa
Flensburg
Eine Baustelle an der von der Sturmflut beschädigten Kaikante in Flensburg

Deutlich sichtbar ist die Zerstörung noch an der Hafenspitze. Hier sank die rund 70 Jahre alte Kaikante am Westufer in einer anschließenden Niedrigwasserphase auf einer Strecke von rund 130 Metern um etwa einen halben Meter ab. Inzwischen ist sie noch weiter gebröckelt. Der Parkplatz und die Flaniermeile entlang des Hafens ist zum Leidwesen vieler Flensburger und Besucher der Stadt durch Bauzäune abgesperrt. Bis eine neue Kaikante nebst Promenade fertig ist, werden mehrere Jahre vergehen.

Restaurant zieht um

Das Traditionsrestaurant Piet Henningsen hat seine Konsequenzen gezogen. Seit 1886 hat das Restaurant seinen Sitz an der Schiffbrücke, es hat viele Hochwasser erlebt. Nun zieht es ans Westufer, raus aus dem Hochwassergebiet, sagt Geschäftsführer Ruyman Cano Dominguez. Rund 1,55 Meter stand das Wasser bei ihm im Restaurant, alles schwamm. Monate später hätten sie noch Alpträume gehabt. „Was uns das alles gekostet hat, nicht nur finanziell, auch emotional.“

Mecklenburg-Vorpommern kam glimpflicher davon 

Mecklenburg-Vorpommern kam glimpflicher davon als das benachbarte Schleswig-Holstein. Doch waren die Schäden insbesondere in Sassnitz und auch auf der Halbinsel Fischland/Darß/Zingst nicht zu übersehen. 

Gewaltige Wellen spülten Strände und Dünen ins Meer. Mit Millionenaufwand wurde der Sand wieder aufgespült. „Praktisch mit Beginn der Tourismussaison hatten wir wieder traumhafte Strände“, sagt Vizebürgermeisterin Karin Eiweleit. 

Die Kosten für Sandaufspülung, Dünenverstärkung und Bepflanzung lagen laut Umweltministerium bei 13 Millionen Euro. Das Ministerium in Schwerin stellte in seiner Bilanz für Mecklenburg-Vorpommern Schäden im Umfang von insgesamt 56 Millionen Euro fest. 

Die Umweltschutzorganisation BUND fordert das Land auf, nun die richtigen Schlüsse aus den Flutschäden zu ziehen. „Sicherlich ist es wichtig und richtig, Wohnsiedlungen vor Überschwemmungen zu schützen. Aus Sicht des Naturschutzes wäre aber auch gut, einige Abschnitte mehr der natürlichen Küstendynamik zu überlassen und auch mehr Überflutungsgebiete zu schaffen“, sagt die für Meeresschutz zuständige BUND-Mitarbeiterin Pauline Damer. 

Sturmflut war Zäsur

„Der letzte Herbst war eine Zäsur für Schleswig-Holstein“, sagt Landes-Küstenschutzminister Tobias Goldschmidt. Für viele Menschen sei die Klimakrise erstmals keine abstrakte Bedrohung, sondern eine reale Schicksalserfahrung gewesen. „In dieser schwierigen Lage hat die Landesregierung entschlossen gehandelt.“ 

Überall an der Ostseeküste waren Deiche und Hafenanlagen zerstört worden (Archivbild). dpa
Deiche
Überall an der Ostseeküste waren Deiche und Hafenanlagen zerstört worden (Archivbild).

Geld und unterstützende Maßnahme zur Reparatur der Deiche seien zügig bereitgestellt worden. „Mittlerweile sind die meisten Deiche wieder wehrhaft. Unser Land geht gut gerüstet in die nächste Sturmflutsaison“, versichert der Grünen-Politiker.

Nach Angaben des Kieler Ministeriums brachte das Land im Februar eine Förderrichtlinie zur Wiederherstellung der beschädigten Regionaldeiche und Küstenschutzanlagen auf den Weg. Schleswig-Holstein habe bei vielen Hochwasserschutzanlagen 100 Prozent der Kosten übernommen, da viele Wasser- und Bodenverbände die 10 Prozent Eigenanteil nicht stemmen konnten.

Bis jetzt nicht alle Reparaturarbeiten abgeschlossen

Viele Arbeiten seien bereits abgeschlossen. Bei wenigen Wiederherstellungsmaßnahmen sei es aber unumgänglich, dass die abschließenden Arbeiten in den Beginn der Sturmflutsaison fielen. In diesen Fällen würden die Bauabschnitte so klein gewählt, dass sie innerhalb sehr kurzer Zeit notgesichert werden könnten.

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Nach Goldschmidts Angaben hat die Landesregierung einen Paradigmenwechsel beim Ostseeküstenschutz eingeläutet. Für Deiche, hinter denen viele Menschen leben und die hohe Sachwerte schützen, übernimmt das Land die Verantwortung, wenn das vor Ort gewollt ist. 

An einigen Stellen könnten auch die Rückverlegung von Deichen oder natürliche Küstenschutzmaßnahmen angebracht sein. Es solle strukturelle Veränderungen bei den Wasser- und Bodenverbänden geben, um den kommunalen Ostseeküstenschutz zu stärken. „Hier sind kreative Ideen und ein langer Atem gefragt“, sagt der Minister. „Gut geschützte Küsten und intakte Küstenökosysteme sind Voraussetzung für ein sicheres und gutes Leben in Schleswig-Holstein.“

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