Das ist das vielleicht nachhaltigste Schiff der ganzen Welt
Die Nordsee zeigte sich, wie man es im Herbst von einem Meer erwartet, das manche auch „Mordsee“ nennen. Windstärke sieben und recht hohe Wellen, die auf die Küste Englands zurollten. Es reichte aus, dass sich ein Passagier in der Kabine nebenan die letzte Mahlzeit durch den Kopf gehen ließ.
Ich mag es, wenn man auf einem Schiff die Elemente spürt wie auf dieser Reise von Newcastle nach IJmuiden. An Bord einer Fähre, über deren Geschichte ich staune.
Die „Princess Seaways“ und ihr Schwesterschiff „King Seaways“ sind Veteranen der Meere. 1986 liefen sie vom Stapel, im Jahr, als der Reaktor von Tschernobyl in die Luft flog und der HSV unter Ernst Happel auflief. Die Schiffe fuhren mit anderem Namen über die Ostsee, in der Irischen See und vor Australien und sind seit 17 Jahren zwischen den Niederlanden und dem Tyne im Einsatz.
1986 liefen die Schwesterschiffe vom Stapel – nachhaltiger geht’s kaum
Gebaut wurden die Fähren in Bremerhaven, in Docks, die es lange nicht mehr gibt: auf der Seebeckwerft, gegründet 1876, geschlossen 2009. Reste des Geländes stehen unter Denkmalschutz, doch die Schiffe fahren weiter – und dies noch einige Zeit. Gerade investierte die Reederei DFDS zehn Millionen Euro in ihre Renovierung.
Wer ein Beispiel für Qualität „Made in Germany“ sucht, kann die Englandfähren oben auf die Liste setzen. Nachhaltigkeit ist im aktuellen Zeitgeist so enorm wichtig, also bitte: Vielleicht sind diese Oldies aus Bremerhaven die nachhaltigsten Schiffe der Welt.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Nun geht es Deutschlands Werften mal wieder schlecht. Die Konkurrenz in Asien – besonders in China – baut mit staatlicher Unterstützung zu Billigstpreisen, die gegen fairen Wettbewerb verstoßen. Es wäre spannend zu sehen, wie viele Jahre ein Schiff vom Yangtse auf der Nordsee aushält, aber das zählt anscheinend nicht.
Werften haben es schwer heutzutage
Die Meyer Werft in Papenburg musste vor Kurzem von Bund und Land gerettet werden, die Flensburger Schiffbau Gesellschaft (FSG) wird es offenbar nicht. In der Fördestadt und auch in Rendsburg warten Docker seit Wochen auf ihren Lohn. Nicht mal die Klos werden geputzt, wie ein verzweifelter Betriebsrat berichtet.
Schiffbau in Deutschland, ein Problem, doch andererseits: Ist der nicht enorm wichtig für ein Industrieland, das vom Export lebt? Was passiert, wenn die Kommunisten Taiwan angreifen und es zum Konflikt mit China kommt?
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Es gibt ein besonders prominentes Beispiel für Wer(f)tarbeit aus unserem Norden: Forschungseisbrecher „Polarstern“, 1982 bei den Howaldtswerken-Deutsche Werft (HDW) in Kiel gebaut. Seither in den härtesten Seegebieten der Welt unterwegs, Arktis, Antarktis, auf weit mehr als hundert Expeditionen.
Nun soll es – nach jahrelangen Debatten – einen Neubau geben. Heimathafen der „Polarstern 2“ wird Bremerhaven sein, also die Stadt der Englandfähren, deren Lloyd-Werft es ebenfalls mies geht. Ausgeschrieben ist die Vergabe europaweit.