Wahlbetrug in Georgien? Beobachter und Opposition zweifeln Ergebnisse an
Die Südkaukasusrepublik Georgien hat bei einer Schicksalswahl auch über den EU-Kurs des Landes abgestimmt. Nun sind fast alle Stimmen ausgezählt. Um das Ergebnis gibt es Streit.
Bei der Parlamentswahl hat die Wahlkommission die prorussische Regierungspartei zur Siegerin erklärt. Die nationalkonservative Partei Georgischer Traum des Milliardärs Bidsina Iwanischwili kam nach Auszählung fast aller Wahlzettel auf 54,09 Prozent der Stimmen, wie Wahlleiter Giorgi Kalandarischwili in der Hauptstadt Tiflis mitteilte.
Nach Auszählung der Stimmen aus 99,6 Prozent der Wahlbezirke fehlten noch einige aus dem Ausland, sagte er. Das vorläufige amtliche Endergebnis stehe deshalb noch aus. Mehrere proeuropäische Oppositionsbündnisse erkennen dieses vorläufige Ergebnis nicht an und haben Proteste angekündigt.
Umstrittene Wahl in Georgien: Prorussische Partei zur Siegerin erklärt
Internationale Wahlbeobachter haben sich besorgt über zahlreiche Unregelmäßigkeiten geäußert. Die Experten beklagten unter anderem Fälle von Einschüchterung der Wähler, Druck auf Behörden, Gewalt gegen Beobachter, Stimmenkauf sowie Mehrfachabstimmungen und das Stopfen von Wahlzetteln in Urnen, wie die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) mitteilte.
Die OSZE forderte eine Untersuchung der Fälle und mahnte weitere demokratische Reformen an. Zugleich lobte Missionschef Pascal Allizard die „demokratische Vitalität“ in der Südkaukasusrepublik – trotz einzelner Rückschritte.
Georgien: Proeuropäische Opposition spricht von Wahlbetrug
Die proeuropäischen Oppositionsparteien sprechen von Wahlbetrug und beanspruchen den Wahlsieg für sich. Die prowestliche Präsidentin Salome Surabischwili hatte nach der Veröffentlichung von Nachwahlbefragungen erklärt, dass die Opposition summarisch auf 52 Prozent der Stimmen komme und im Parlament eine prowestliche Mehrheit bilden könne. Dagegen sah die Wahlkommission die vier Oppositionsblöcke, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften, bei über 37 Prozent.
Die Opposition in dem Land am Schwarzen Meer ist allerdings zerstritten. Einige Parteien hatten sich zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen. Das Wahlbündnis Einheit, dem auch die bei der Parlamentswahl 2020 größte Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung angehört, erhielt den Angaben der Wahlkommission zufolge rund zehn Prozent der Stimmen. Das Wahlbündnis Koalition für den Wandel ist demnach das stärkste Oppositionsbündnis mit rund elf Prozent der ausgezählten Stimmen. Zwei weitere Blöcke landeten jeweils unter zehn Prozent
Opposition fürchtet Abkehr Georgiens vom EU-Kurs
Insgesamt waren rund 3,5 Millionen Georgier im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei rund 59 Prozent – drei Prozentpunkte höher als noch 2020.
Das Land am Schwarzen Meer hat 3,7 Millionen Einwohner und ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis. Die traditionell gespaltene und mit mehreren Wahlbündnissen angetretene Opposition befürchtet, dass sich Georgien unter Führung des in Moskau reich gewordenen Oligarchen Iwanischwili noch stärker dem großen Nachbarn Russland zuwendet und endgültig von seinem EU-Kurs abkommt.
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Die von ihm gegründete Regierungspartei Georgischer Traum versprach im Wahlkampf hingegen Frieden und Stabilität – und schürte Ängste vor einem Krieg mit Russland, sollte die Opposition gewinnen. Als Erste gratulierten der ungarische Regierungschef Viktor Orban und der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev dem Georgischen Traum zum Sieg. (dpa/mp)