Fast die Hälfte Deutschlands kommt als Atomendlager in Betracht
Rund vier Jahre nach dem Start des ungeliebten Suchverfahrens nach einem Standort für ein deutsches Endlager für hochradioaktiven Atommüll sind rund zehn Prozent der bisher ausgewählten Teilgebiete wohl aus dem Rennen. Damit bleiben etwa 44 Prozent des Bundesgebiets weiter im Spiel, wie die Sprecherin der zuständigen Bundesgesellschaft für Endlager (BGE), Dagmar Dehmer, sagte. Gefunden werden soll bis spätestens 2050 ein Lager für rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktiven Müll, der in mehr als 60 Jahren Atomkraft angefallen ist.
Umgekehrt kategorisiert der neue Stand nun etliche Gebiete als ungeeignet oder gering geeignet. Beispielsweise werden weite Teile Nordbayerns der „Kategorie D“ zu ungeeigneten Orte erklärt. Das Gleiche gilt für ein Tonteilgebiet im Osten Brandenburgs und Sachsens sowie den „Glücksstadtgraben“ in einem Streifen von Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen. Im Mittleren Jura im Osten Baden-Württembergs und im Westen Bayerns weist der Bericht für rund 75 Prozent der Fläche eine maximal geringe Eignung aus, das übrige Viertel wird noch untersucht. Auch im Thüringer Becken zwischen Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind noch 30 Prozent im Rennen.
Was bedeuten die neuen Erkenntnisse für die weitere Endlagersuche?
Letztlich ist es nur ein Zwischenschritt, der in der Öffentlichkeit aber zeigen soll, dass das Suchverfahren vorankommt und sich um Transparenz bemüht. Dies hoben auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und der Bund für Umweltschutz und Naturschutz (Bund) anerkennend hervor. Die Ergebnisse der Untersuchung sind auf der Internetseite der BGE als eine interaktive Karte veröffentlicht und werden auch fortlaufend aktualisiert. Diese liefert für jedes Gebiet auch eine Begründung für die Entscheidung – etwa wegen der Beschaffenheit des dortigen Gesteins wie Ton, Salz oder Kristallin. Die Fläche, die noch untersucht werden muss, bleibt aber riesig. Die BGE will bis Ende 2027 die erste Phase der Endlagersuche abschließen. Wo im Anschluss oberirdische Erkundungen stattfinden, entscheidet mit Hilfe der BGE-Expertise dann der Bundestag.
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Laut Dehmer sind auch die derzeit als ungeeignet eingestuften Gebiete nicht „für immer aus dem Rennen“. Dies sei erst dann der Fall, wenn der Bundesgesetzgeber das Gesetz zur Bestimmung der Standortregionen verabschiedet hat. Gleichwohl sei es aber aus wissenschaftlicher Sicht „sehr unwahrscheinlich, dass da ein Endlager entsteht“.
Was konkret hat die Bundesgesellschaft für Endlager bisher gemacht?
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung prüft mit Sicherheitsuntersuchungen, welche Gebiete in Deutschland günstige geologische Bedingungen für die unterirdische Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen. 2020 hatte die bundeseigene Gesellschaft zunächst in einem Bericht 90 solcher Gebiete ausgewiesen, bei denen eine weitere Prüfung lohnen könnte, dies waren 54 Prozent der Fläche Deutschlands. Diese Gebiete sollen im weiteren Verfahren auf wenige Standortregionen eingeengt werden. „Ziel ist es, mit einer angemessenen kleinen Zahl an Gebieten in Phase 2 zu gehen“, erklärte Dehmer.
Die Methodik, mit der die Sicherheit im aktuellen Arbeitsschritt bewertet wird, erläuterte die Bereichsleiterin Standortauswahl bei der BGE, Lisa Seidel, wie folgt: „Wir suchen in einem wissenschaftsbasierten Verfahren den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit. Daher setzen wir die Sicherheitsanforderungen für die Gebiete mit jedem Prüfschritt ein bisschen höher. Gebiete, die eine Hürde nicht überspringen, werden nicht weiterbearbeitet.“
Wie lange wird es noch dauern, bis der Standort gefunden wurde?
Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass bis 2050 ein entsprechendes Endlager gefunden sein wird. Das wäre etwa 20 Jahre später als ursprünglich geplant. Bis wann das Endlager dann wirklich genutzt werden kann, ist noch offen. Immer wieder werden daher Rufe laut, das Verfahren zu beschleunigen – dies wiederum stößt aber auch auf Kritik, da etwa Umweltschutzorganisationen fürchten, dass das wissenschaftliche Verfahren leidet.
„Es ist einfach nicht trivial, die Sicherheit eines Endlagers festzustellen und es macht, um ehrlich zu sein, auch keinen großen Unterschied, ob ich das für 100.000 Jahre oder für eine Million Jahre feststellen muss“, betonte Dehmer. Grund dafür sei der Nachweisaufwand. Auch in anderen Ländern sei keine Endlagersuche „unter mehreren Jahrzehnten davongekommen“. Selbst in Finnland habe es 40 Jahre gedauert.
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Für eine größtmögliche Sicherheit setzt die Wissenschaft auf ein Endlager in der Tiefe zur dauerhaften Lagerung der rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktiven Mülls aus mehr als 60 Jahren Atomkraft in Deutschland. Es soll ein Ort gefunden werden, der für eine Million Jahre sicher ist, da der Müll hunderttausende Jahre strahlt. Aufbewahrt wird er aktuell in 16 oberirdischen Zwischenlagern in verschiedenen Bundesländern. „Bis Mitte des Jahrhunderts müssen und können wir einen Endlager-Standort finden. Das sind wir den Menschen schuldig, die in den Regionen mit Zwischenlagern leben“, sagte Lemke.