Weltpokalsiegerbesieger-Erinnerungen: Halbzeit-Zigarette in der St. Pauli-Kabine
Zugegeben, die Nummer hat inzwischen einen Bart bis zum Boden. Und dennoch: Wer am 6. Februar 2002 dabei war, als der FC St. Pauli den legendären 2:1-Erfolg gegen die Bayern im sogenannten Weltpokalsiegerbesieger-Spiel, der wird immer wieder gern daran erinnert. Das trifft auf die Fans ebenso zu wie die Profis. Zum Beispiel Nico Patschinski.
Der ist aktuell bekanntlich Busfahrer, stand seinerzeit aber als Stürmer beim Kiezklub auf dem Platz, war Schütze des zwischenzeitlichen 2:0 (die Führung hatte Thomas Meggle besorgt) und erinnerte sich unlängst – aus welchem Grund auch immer – im Gespräch mit dem Internet-Auftritt des Volkswagen-Konzerns an das Ereignis. Und wie von „Patsche“ gewohnt, mit der ein oder anderen lustigen Anekdote.
St. Pauli schwor sich vor der Partie ein
Am Abend vorher hatte Cottbus überraschend gegen Hertha gewonnen, wodurch der Abstand St. Paulis aufs rettende Ufer noch größer geworden war. „Wir saßen im Hotel zusammen und haben uns gesagt: Alles oder nichts, wir haben nichts zu verlieren. Da haben wir uns eingeschworen.“ Auf dem Weg zum Stadion habe es auch mehr gekribbelt als sonst. „Die Atmosphäre war speziell.“ Das Spiel sollte dem gerecht werden. „Es war so anstrengend, dass ich schon manchmal meine Oma mit Elvis habe tanzen sehen“, erzählte Patschinski. Für Trash Talk sei keine Energie mehr da gewesen, „ich war mit Luft holen genug beschäftigt“. Und mit Tore schießen.
Nico Patschinski gewann 100-Euro-Wette
„Marcel Rath sollte wegen seiner Glatze zum ersten Pfosten gehen und den Ball per Kopf abrutschen lassen. Kein Scherz, das war echt eine Überlegung des Trainers“, erklärte er rückblickend seinen Treffer. „Ich hatte Glück, dass mir der Ball direkt vor die Füße fiel. Ich erinnere mich nur noch, dass ich ihn unbedingt mit der Innenseite treffen wollte, das hat ganz gut geklappt.“ Beim Torjubel rannte er dann über den halben Acker, um sich neben Coach Dietmar Demuth auf einen Stuhl zu setzen. „Wir hatten vor dem Spiel um 100 Euro gewettet, dass ich treffe“, erläuterte er. „Da habe ich mich auf seinen Stuhl gesetzt und gesagt: Ich habe jetzt Feierabend und will meine Kohle.“
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Aber nach so einem Tor wisse man erst mal gar nicht, wo man hinlaufen soll vor Glück. „Ich wäre auch bis zu meinen Eltern nach Berlin-Hohenschönhausen gerannt“, sagte Patschinski – zumal er gegen Oliver Kahn genetzt hatte. „Von einem Tor gegen Oliver Kahn erzählt man seinen Kindern. Auf meinem Grabstein wird auch nicht mein Name stehen, sondern nur: Hier liegt der Weltpokalsiegerbesieger.“
Zwei St. Paulianer rauchten in der Pause
Zur Pause führte St. Pauli 2:0, von Zufriedenheit in der Kabine trotzdem keine Spur. „Wir hätten auch 4:0 führen können“, urteilte Patschinski und erzählte fast Unglaubliches: „In der Pause haben Holger Stanislawski und ich erst mal eine geraucht, um etwas runterzukommen.“ Trotzdem reichte die Luft mit Hängen und Würgen, um nach Bayerns Anschlusstreffer (87.) den knappen Vorsprung über die Zeit zu retten. „Schiedsrichter Helmut Krug war schon richtig genervt, weil wir so häufig nach dem Abpfiff fragten. Als es dann endlich zu Ende war, konnte ich mich aber gar nicht so richtig freuen, weil ich so kaputt war“, erinnerte sich Patschinski. Danach sei im Stadion das Lied „Wunder gibt es immer wieder“ von Katja Ebstein gelaufen – „und wenn du dann in die Gesichter der Leute guckst, dann merkt du, dass das ein Tag für die Ewigkeit ist“.