Olaf Scholz (SPD,l.) und Robert Habeck (Grüne) wollen erst einmal weiter im Amt bleiben.
  • Olaf Scholz (SPD,l.) und Robert Habeck (Grüne) wollen erst einmal weiter im Amt bleiben.
  • Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Ampel-Aus: Bitte keine monatelange Hängepartie!

Die Ampel ist Geschichte! Mit der Entlassung seines Finanzministers Christian Lindner (FDP) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für einen Paukenschlag gesorgt. Dem Land droht nun eine längere Hängepartie, gleichzeitig steht ein heftiger Wahlkampf bevor. Eigentlich gäbe es noch einiges zu regeln, bevor neu gewählt wird.

Nach einer eher lieblosen „Ehe“ nun also die schmutzige „Scheidung“: Scholz und Lindner haben sich gegenseitig die Schuld für das Scheitern der Ampel zugeschoben. Es fielen Begriffe wie „kleinkariert“ oder „matt und unambitioniert“. Die Bürger „draußen im Land“ dürfte die Schuldfrage aber kaum noch interessieren. Schließlich war schon länger absehbar, dass es einfach nicht funktioniert. Nur im ersten Jahr hatte die Ampel gute Arbeit abgeliefert und die Folgen des russischen Angriffskriegs klug abgefedert. Danach ging praktisch nichts mehr.

In Berlin ist die Rede von „Insolvenzverschleppung“

Wichtiger als der Blick zurück ist jetzt der nach vorne: Scholz begründete die Entlassung Linders unter anderem damit, dass es eine handlungsfähige Regierung brauche. Dem ist kaum zu widersprechen. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum der Noch-Regierungschef die Vertrauensfrage dann erst Mitte Januar stellen will: In der Folge einer verlorenen Vertrauensfrage würde dann Mitte März gewählt. Bis sich eine neue Koalition gebildet hätte, würden wohl Minimum sechs Wochen vergehen. Wir wären also mindestens im Mai, bis wieder ein voll handlungsfähiger Regierungschef im Kanzleramt sitzt. Das ist in Anbetracht einer neuen Trump-Regierung in den USA, die sich Anfang Januar an ihr Werk machen und in Europa vor allem Deutschland ins Visier nehmen wird, keine gute Aussicht.

Ein inhaltlicher Grund für das lange Abwarten von Scholz ist nicht zu erkennen. Und natürlich fordert die Opposition in Person von Friedrich Merz (CDU) den Kanzler bereits auf, den Bundestag schnellstmöglich mit der Sache zu befassen. Nicht ganz zu Unrecht macht das Wort von der „Insolvenz-Verschleppung“ in Berlin die Runde. Laut Grundgesetz kann aber niemand den Kanzler zwingen, die Vertrauensfrage zu stellen. Es liegt voll in seinem Ermessen, ob und wann er sie stellt. Nur der Druck der Öffentlichkeit könnte Scholz möglicherweise noch dazu bringen, von seinem Vorhaben abzulassen und den Weg früher als jetzt geplant frei zu machen.

Auch die Union trägt nun Verantwortung

Der Kanzler verbindet sein Vorhaben zur zwischenzeitlichen Minderheitsregierung mit den Grünen mit einem Angebot an die Opposition, namentlich die Union: So will er sich u.a. für steuerliche Entlastungen (Abbau der „kalten Progression“), für die Verabschiedung des europäischen Asylsystems und für Industrie-Hilfen jeweils Partner unter den Oppositionsparteien suchen, die ihm eine Mehrheit für die Vorhaben im Bundestag beschaffen.

Natürlich dürfte die Neigung von Merz & Co, der „Lame Duck“ Scholz noch zu Erfolgen zu verhelfen, nicht besonders hoch sein. Gleichzeitig bringt Scholz seinen Kontrahenten in eine Zwickmühle. Denn auch die Opposition hat das für die Bürger, was sich „staatbürgerschaftliche Verantwortung“ nennt: Es gehört sich nicht, das Land aus reinem Eigennutz gegen die Wand fahren zu lassen.

Manches wird im nächsten Bundestag unmöglich sein

Merz wird nun in den nächsten Tagen zeigen können, wie clever und vorausschauend er tatsächlich ist. Er könnte Scholz die Hand für einzelne Projekte reichen und dies mit Bedingungen verknüpfen. Beispielsweise könnte er eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Sondervermögens für die Bundeswehr ins Spiel bringen. Dies wird sich – ebenso wie eine Reform der Schuldenbremse – im kommenden Bundestag womöglich gar nicht mehr umsetzen lassen. Vor allem dann nicht, wenn die Russland-affinen Parteien AfD und BSW über mehr als ein Drittel der Mandate verfügen sollten – und damit über eine Sperr-Minorität.

Ein Signal an Trump und Putin

Eine Aufstockung der Verteidigungs-Ausgaben würde aber gut in die heutige Zeit passen: Sie würde Donald Trump signalisieren, dass Deutschland bereit ist, seinen „fairen“ Anteil an der Sicherheit Europas zu tragen und dem Kreml, dass Europa und Deutschland grimmig verteidigungswillig ist. Inhaltlich wäre eine Aufstockung sowieso angezeigt: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) – beliebtester Politiker des Landes und möglicher Vize-Kanzler einer kommenden Großen Koalition – beklagt praktisch jeden Tag die anhaltende Unterfinanzierung der Bundeswehr. Er tut dies sicher nicht, weil ihm gerade langweilig ist.

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Die kommenden Wochen könnten also noch die ein oder andere politische Überraschung bereithalten. Allerdings steht zu befürchten, dass der einsetzende Wahlkampf die Parteien doch dazu verleiten könnte, sich nur noch gegeneinander abzugrenzen und nicht mehr so sehr an das Notwendige zu denken. Das Land hätte Besseres verdient.

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