Deutschland wird bald neu wählen – nur wann genau ist noch nicht klar.
  • Deutschland wird bald neu wählen – nur wann genau ist noch nicht klar.
  • Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Scholz und der Wahltermin: Der Schaden ist schon angerichtet

Das Gezerre über einen Neuwahl-Termin hat längst groteske Züge angenommen. Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, er könne sich doch einen Termin für die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten vorstellen – aber er will sich seinen Auszug aus dem Kanzleramt weiter politisch abkaufen lassen. Das Land braucht aber etwas völlig anderes.

Bei „Miosga“ in der ARD erklärte Scholz am Sonntagabend, er sei zum Stellen der Vertrauensfrage noch in diesem Jahr bereit. Hintergrund dürfte sein, dass sich inzwischen auch die Grünen vom ursprünglichen Scholz-Zeitplan (15. Januar: Vertrauensfrage, Wahl dann Mitte März) abgesetzt haben. Auch Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) fordert inzwischen einen früheren Termin. Scholz ist ein Getriebener.

Deutschland hat sich international zum Gespött gemacht

Der Schaden ist aber bereits angerichtet: International hat sich Deutschland zum Gespött gemacht, weil es laut Bundeswahlleiterin Ruth Brand auf die Schnelle nicht genug Papier für Wahlzettel gebe. Die Industrie hat – wenig überraschend – längst widersprochen. Das Argument der Wahlleiterin ist ungefähr auf dem Niveau von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), der einst im MOPO-Interview erklärte, für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gebe es gar nicht genug Schilder. Das Gezerre um die Wahl spielt unglücklicherweise auch denen in die Hände, die demokratische Prozesse an sich gerne verächtlich machen – nicht wenige davon sind in der AfD zu finden.

Absurderweise sind die Parteien, die nun am lautesten nach möglichst schnellen Wahlen schreien auch diejenigen, die daran eigentlich das wenigste Interesse haben sollten: Das BSW ist noch damit beschäftigt, mehrere Landesverbände zu gründen. Die AfD steht ganz am Anfang ihres Nominierungs-Prozesses. Und CDU/CSU – wahrscheinlich die stärksten Kräfte nach der Wahl – sollten ein überragendes Interesse daran haben, dass die Wahl rechtlich absolut sauber abläuft. Leider sind Bundestagswahlen in Deutschland inzwischen kein Selbstläufer mehr, wie eine Wahlwiederholung in Berlin im Februar 2023 gezeigt hat.

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Trotzdem sind das „nur“ Probleme der Parteien, die mit etwas Pragmatismus und gutem Willen überwunden werden können. Das Land hat andere Prioritäten: Die Mehrheit der Wähler will laut Umfragen möglichst schnell klare Verhältnisse. Auch sie ahnen: Jeder Tag, ohne funktionierende Regierung, an dem Tausende ihre Jobs verlieren, große Werke schließen und hohe Energiepreise den Standort gefährden, ist einer zu viel.

Es geht nicht um das politische Erbe von Scholz

Dass Scholz noch einzelne Projekte wie das Rentenpaket 2 durch den Bundestag bringen will, ist aus seiner Sicht zwar verständlich. Es wäre für eine wichtige SPD-Klientel ein schönes Wahlgeschenk. Es geht aber schon längst nicht mehr um das politische Erbe des noch amtierenden Kanzlers. Sondern um die Zukunft des Landes in höchst herausfordernden Zeiten. Da ist kein Platz für parteitaktische Spielchen – egal auf welcher Seite.

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