Islandfähre
  • Dieses Foto schoss unser Kolumnist auf der Islandfähre, als sie „auf Reede lag“, also auf offener See vor dem Hafen ankerte.
  • Foto: Ankerherz

Hurrikan über dem Nordatlantik: „Wir sind Gefangene des Sturms“

Der Orkan heult ums Schiff, und ich sehe aus meiner Koje das Feuer eines Leuchtturms. Mondlicht versilbert den Ozean vor der Ostküste Islands. Wir liegen auf Reede. Weil es zu gefährlich ist, können wir nicht einlaufen in den Fjord von Seydisfjördur. Die Hafenbehörde meldet Wind in Hurrikanstärke.

Wir sind unterwegs mit unserer „Skua-Tour“, die wir nach der großen Raubmöwe des Nordens benannten. Nun sind wir Gefangene des Sturms.

Die Passage von den Färöern über die Islandsee glich einem wilden Ritt. Mächtige Wellen schüttelten die Fähre „Norröna“, deren Name übersetzt „Nordmeer“ bedeutet. Schaumkronen, fliegende Gischt, das Schiff rollte und stampfte in der See, und die Crew sperrte die Außendecks mit Ketten und Schildern: „Closed. Stormy Weather“.

Windstärke 11 hat mancher Seemann noch nicht erlebt

Je weiter nördlicher wir kamen, desto heftiger wurde es. Die Seekrankheit setzte einigen an Bord übel zu. Vor der Küste Islands maß man auf der Brücke Windstärke 11. Abenteuer Nordatlantik, wirklich. Selbst mancher Seemann hat das noch nicht erlebt.

Aus der Perspektive der Bordbar „Laterna Magica“, in einer Latte-mac­chi­a­to-Situation hinter Panoramascheiben, ließ sich das Ganze gut aushalten. Draußen brüllte der Sturm, drinnen plätscherte Softpop aus den Lautsprechern. Ich bin nicht sicher, ob alle Passagiere mitbekamen, welch seemännisches Können auf dem Nordatlantik gefragt ist.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Angesichts der Wettermeldungen hatte der Kapitän entschieden, schon kurz nach dem Ablegen in Dänemark deutlich schneller als sonst zu fahren und den Hafen von Torshavn früher zu verlassen. Er wollte vor dem Eintreffen des großen Sturms den Windschatten Islands erreichen. Richtige Entscheidung, die bestimmt teuer war.

Welche Verantwortung dieser Kapitän trägt! Einerseits soll er einen Fahrplan einhalten und möglichst wirtschaftlich unterwegs sein, möglichst sparsam im Umgang mit Treibstoff. Anderseits ist er für das Schiff, seine Passagiere, Crew und die Ladung verantwortlich. Ein nautischer Risikomanager in einer der lebensfeindlichsten Umgebungen des Planeten.

Der nächste Sturm über dem Nordatlantik ist angesagt

Ich fühle mich wohl an Bord der Islandfähre, denn ich kenne Petur av Vollanum, ein drahtiger Typ mit kahlrasiertem Schädel und eisernem Lächeln, von anderen Reisen. Einmal steuerte er sein Schiff ins Auge eines Sturmtiefs, weil es dieselbe Route nahm und es im Inneren eines Sturms windärmer und sicherer ist.

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Vertrauen in den Kapitän zu haben: so wichtig. Ein Gedanke, der sich momentan auf andere Dinge des Lebens übertragen lässt.

Für die Rückreise gibt es wieder eine Wetterwarnung. Der nächste Sturm über dem Nordatlantik ist angesagt.

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